HELMUT LODER'S Adventkalender
Ortstafel Advent |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25

„Tagebuch einer Adventstadt“
Eine Reise zwischen Ortsanfang und Ortsende

24 Tage. Eine lange Zeit. Advent.

Die zweitgrößte spirituelle Reisebewegung des Jahres, nach der 40tägigen Fastenzeit, steht vor der Tür. Millionen Menschen auf der ganzen Welt brechen in diesen Tagen auf in ein kleines Dorf namens Betlehem, auf der Suche nach dem stillen Glück im Stall am Rande der Betriebsamkeit und so nebenbei pilgern sie zum nächsten Supermarkt am Rande der Stadt. Sie werden mit recht unterschiedlichen Absichten unterwegs sein. Manche erwarten sich ein schönes, harmonisches Fest, ein liebliches Ereignis im Rahmen ihres Wohlstands mit all dem Beiwerk und Glitter, das zu unserer Konsumgesellschaft halt so dazugehört. Manche suchen nach Gestaltungsformen und Antworten für die hartnäckigen Fragen, die im Verlaufe dieser Vorbereitungs- und Festzeit auftauchen. Für alle jedoch gilt: „Aufbrechen“ lautet die öffentliche Parole und hinter vorgehaltener Hand werden verstohlen schon kaum leserliche Kopien einer Landkarte, genauer einer Reiseroute durch den Advent weitergereicht.

Der Advent hat uns wieder. Er ist über uns hereingebrochen mit der Wucht eines Wirbelsturms, den wir jährlich zur gleichen Zeit erwarten, und gegen den es scheinbar keine Abwehr gibt. Seltsam: Viele haben schon die Koffer gepackt, ihr Gepäck ist schwer, voller Pläne, Sorgen und Hoffnungen, andere wiederum wissen nicht, was sie für eine solche Reise mitnehmen sollen, sie haben keine Ahnung vom Ziel, vom Klima und von den Verhältnissen, die sie erwarten.
Sind die Straßen befestigt oder wird es Schlaglöcher geben? Wer wird uns begleiten, wer wird uns erwarten, begrüßen, wer zeigt uns den richtigen Weg hin zum Stall, zur Krippe, wer bereitet uns vor? Manche sind sofort losgegangen, als die ersten Zeichen am Himmel erschienen, Neonsterne und Leuchtschriften, Sonderangebote und andere Lockmittel. Andere wollen nicht aufbrechen, sie möchten zuhause vorm Fernseher sitzen und zuschauen. Es könnte gefährlich werden, die Sicherheit ist nicht garantiert. Und überhaupt, die Mitreisenden, nein danke. Sie wollen kein Fest, keinen Aufwand, keine Geschenke, keine Freude. Nüchternheit und 0,0 Promille Gedankenverschwendung für kleine Aufmerksamkeiten und ein wenig Liebe.

Und wenn endlich Bewegung in die Kolonnen kommt, das erste Adventwochenende näher rückt, dann rasen sie los, die kleinen und großen Kinder, die Suchenden, Hilflosen, Verzweifelten, die Süchtigen nach Sinn und Erlösung, betreten die adventlich dekorierte Stadt und philosophieren verschämt über Gott, und ein wenig erregter über den überfüllten Parkplatz vorm Kaufhaus, über die lieblose Welt, die Zeit der Einkäufe und günstigen Gelegenheiten, über die beste aller Öffnungszeiten und den Advent und die Lichtergirlanden, bis sie erschöpft hinter das Lenkrad sinken und die Ausfahrt suchen. Und vielleicht – wenn sie nicht zu erschöpft sind vom „Shoppen“ – sehen sie im Rückspiegel die Ortstafel ADVENT. Und manche fragen sich, was habe ich dort bloß gesucht?

Advent und Weihnachten verändern vieles. Besonders deutlich merkt man es an den Orten. Sie werden verändert, neue Schmuck-Dekors tauchen in den Geschäften auf, auf den Straßen wird eine eigene Beleuchtung installiert. Advent ist eine Zeit erhöhter Sensibilität für „eingestimmte Orte”.
Advent-Orte, Advent-Räume, Orte der Menschwerdung. Und dieser Advent-Kalender will so etwas wie das Tagebuch einer Adventstadt sein.

Ein Anfang, ein Vorspann. Spannender Ausgangspunkt für ein paar Minuten Nachdenken, wohin wir tatsächlich Jahr für Jahr aufbrechen, welche Sehens- und Denkwürdigkeiten uns zwischen den beiden Ortstafeln ADVENT begegnen? Jede/r ist eingeladen, mitzukommen, zu sehen, zu lesen, zu fragen, was es mit der Tankstelle, dem Friedhof, dem Bauernmarkt und anderen Örtlichkeiten in der Stadt ADVENT auf sich hat. In jeder Stadt unseres Landes im Advent ...

P.S.: Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Orten wie meiner Heimatstadt Gleisdorf ist rein zufällig, aber sehr wohl beabsichtigt. Manche Details wurden nur ein wenig literarisch umgearbeitet. Ich bitte dafür um Verständnis und Nachsicht.