HELMUT LODER'S Adventkalender
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7 Die Stechuhr ist immer in Betrieb
Ein Tag in der Fabrik, mitten im Advent

Eine Fabrik am Rande der Stadt. Die Fassade des Bürotrakts ist originell: Großformatige rostig belassene Metallplatten. Die Fertigungsräume sind in einer riesigen kreisrunden schmutziggrauen Großhalle vis-a-vis untergebracht. Daran schließen sich strahlenförmig kleinere Arbeitshallen an, die mit der Haupthalle verbunden sind. Ein trüber Tag. Überall stehen halbfertige Metallkonstruktionen herum. Auf einigen Streben hat sich Schnee abgesetzt. Kräne auf Schienen fahren herum, der Vorplatz ist mit Rohren aller Größen, Eisendraht und Metallplatten übersät. Eine Maschinenfabrik. Mitten im Advent.
Arbeitsplatz Leben. Die Lichtblitze der Schweißapparate erhellen kurzfristig die Glasfenstersegmente der Rundhalle taghell. Auf dem Parkplatz vor den Hallen stehen Autos in einer langen Reihe. Es hat wieder zu schneien begonnen. Die Wege zwischen den Fabrikshallen sehen leicht angezuckert aus. Arbeitsstätte für den Broterwerb. Eine von vielen in unserer Stadt. Aufenthaltsort für Hunderte Menschen. Auch im Advent. Hinterm Tor der Eingang. Dort hängt die Stechuhr. Ein unauffällig gestylter Kasten, der leise vor sich hinsummt. Pausenlos einsatzbereit und manchmal piepst, wenn er gefüttert wird. Ein häßlicher Kasten, sagen die Arbeiter. Kontrolle und Überwachung. Von Zeitmanagement und flexibler Arbeitszeit hätten sie gesprochen, als sie das Gerät installierten. Inzwischen Gewöhnung, Routine.

Die Stechuhr wartet geduldig. In einer Ecke steht eine große Vase mit Tannenzweigen. Den Arbeitslärm stört der Schneefall kaum. Minutiös hält die Stechuhr mit einem Klicken den Zeitpunkt der Arbeit fest, registriert das Kommen des Arbeiters mit unerbittlicher Präzision. Wartet geduldig auf den nächsten Kontakt. In den Werkshallen dröhnender Lärm. Zwischen den unregelmäßig aufflackernden Lichtblitzen kann man müde Gesichter erkennen.

Ein älterer Arbeiter sitzt mit seiner Jause ganz ruhig in einer dunklen Ecke. Er habe in letzter Zeit oft Angst, gibt er zu. Vor einer unerwarteten Entlassung. Ich würde keinen Arbeitsplatz mehr finden. Viele haben Angst, nicht genug leisten zu können, überflüssig zu sein, „freigestellt“ zu werden. Dann brauche ich auch nicht mehr an der Stechuhr vorbei, meint er ein wenig sarkastisch. Im Bürotrakt sitzen junge Frauen und Männer vor ihren Bildschirmen, tippen konzentriert Daten und Zahlen in die Tastaturen. Sie schenken dem Schnee kaum Beachtung. Arbeitswelt. Hier dominiert Leistung und Kalkulation, Berechnung und Durchsetzungskraft.

Arbeitsskizzen aus einer Fabrik, mitten im Advent. Einer Zeit, in der es nicht auf Minuten, nicht auf Leistung, Härte und Kampf ankommt. Erfolg stand sowieso nie auf dem Wunschzettel dieser Tage. Eher Einkehr und Stille.

Liebe und Sinn, ganz ohne Stechuhr. Advent heißt die Gewissheit, dass Gott uns seine Liebe einfach geschenkt hat, in einem Kind, einem ohnmächtig Liebenden. Wir müssen sie nicht erarbeiten. Bei Gott, es geht nicht um Leistung. Der Schöpfer des Universums hat keine Stechuhr und keine Arbeitsleistungstabellen. Daran sollten wir denken, besonders im Advent.

Zwei Minuten – Einfach zum Nachdenken:
Arbeit und/im Advent – Was fällt dir dazu ein?
Ist die Arbeitswelt noch menschengerecht?