HELMUT LODER'S Adventkalender
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16 „Grüne Inseln der Hoffnung“
Der adventliche Friedhof

Der Friedhof liegt nicht abseits wie anderswo. Nicht einmal 5 Minuten vom Stadtzentrum entfernt breitet sich im Windschatten eines riesigen Bau- und Einkaufsmarktes die weiße Fläche des städtischen Friedhofs mit den zart überzuckerten Grabstätten aus.

Am Eingang ein überdachter Raum für Begräbnisfeiern mit dem Charme einer in die Jahre gekommenen Wartehalle. Stirnseitig ein eindrucksvolles großes Kreuz und genügend Platz für die Menschen, die mitgehen und die Verstorbenen zur letzten Heimstatt auf Erden begleiten. Es ist ein sehr stiller Ort, der "Gottesacker" im Advent. Nur wenige Besucher stören in diesen Tagen die Ruhe der in Reih und Glied aufgefädelten Grabmäler. Die zahlreichen froststarren, ästhetisch ansprechenden Holz- oder Eisenkreuze legen ein klares Zeugnis ab vom Glauben an einen Gott, der ins Leben ruft, weit über den Tod hinaus. Die Gänge zwischen den exakt ausgerichteten Gedenksteinen sind oft noch unberührt, lediglich ein paar Tierspuren zerschneiden die dünne Schneedecke. Noch stiller als sonst ist es hier. Kein lautes Wort ist zu hören. Vereinzelt stehen schon die ersten kleinen Bäume auf den Gräbern. Ein guter Brauch. Ein starkes Zeichen des Lebens. Tatsächlich wirken die stacheligen Tannen oder Fichten wie grüne Inseln im weißen Schneemeer. Wie grüne Bauminseln der Hoffnung.

Am späteren Nachmittag erblühen auf vielen Gräbern frisch entzündete Grablichter. Kleine Gestecke schmücken schon das eine oder andere Grab und da und dort finden sich auch Adventkränze auf marmornen Deckplatten.

In der Nähe des Eingangs lenkt ein besonderer Grabstein die Aufmerksamkeit auf sich. Er ist kreisförmig mit schmalen Streifen, die aus der Mitte wie Sonnenstrahlen spiralförmig nach außen stürzen. Ein Rollstein wie zu Jesu Zeiten könnte es sein, wie jener Stein, der alles ins Rollen brachte und Bewegung verspüre ich auch, nicht Stillstand, nicht Ex, Aus, Tot! Das Leben geht weiter, beginnt sich von neuem zu drehen. Wie ein Brotlaib verharrt der steinerne Kreis, flankiert von einem schlichten Eisenkreuz auf seinem Sockel.

Advent auf dem Friedhof. Ein spannendes Gegensatzpaar. Da die Zeit, in der vieles anbricht, die Zeit der Geburt, dort ein Ort des scheinbaren Abbruchs. Wie passt das zusammen? Die Denkmäler des Endes, der Erinnerung an die Verstorbenen und die Hoffnungszeichen Licht und Baum für Leben und Zukunft gehören zu unserem Leben. Wir gedenken deshalb in diesen Tagen der Einstimmung nicht nur des Kindes aus Nazaret und seiner Umstände bei der Geburt, wir sollten auch seinen Tod mit herein nehmen. Nicht Furcht und Angst und Starre ob der Begrenztheit des irdischen Lebens, sondern Hoffnung und Zuversicht angesichts der Verheißung, dass wir schon bei der Geburt eingeschrieben sind in das Buch des ewigen Lebens, sollten uns erfüllen. Grüne Spitzen, helle Lichter: das Leben beweist seine Kraft.

In unserer Stadt gehört es zum guten weihnachtlichen Brauch, nach der Mette auf den Friedhof zu gehen. Und viele Christen tun es mit beständiger Ernsthaftigkeit. Manche von ihnen kommen auf ihrem weihnachtlichen Friedhofsgang am Kreuz in der "Mitte" der Anlage vorbei. Auch hier brennen Kerzen, Lichtblicke der Sehnsucht nach Auferstehung. Advent und Auferstehung, sie sind nicht allein durch das A miteinander verbunden. Vielmehr wird in ihnen Gottes Zuwendung zum Menschen sichtbar und spürbar. Advent auf dem Friedhof, ein kräftiges Ja zum Anfang und zur Endlichkeit unseres Menschseins.

Beim Hinausgehen, es ist vollends dunkel geworden, entdecke ich ein paar glitzernde Lichtpunkte am Himmel, Sterne, unablässige Hüter der Stille. Es ist Advent, auf dem Friedhof.

Drei Minuten noch zum Nachdenken:
Welche Bräuche und feste Gewohnheiten habe ich mit Friedhof und Adventzeit entwickelt?
Wie könnte ein persönlicher Ausdruck der Erinnerung im Advent für das Grab eines lieben Verstorbenen aussehen?