HELMUT LODER'S Adventkalender
Ortstafel Advent |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17 | 18 | 19 | 20 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25

19 Gefrorene Zeit!
Haltestellen im Advent

Überall gibt es die „Zonen der gefrorenen Zeit“. Haltestellen werden sie genannt. Was sind sie anderes als ungeliebte Warteschleifen im Alltag, auf den Boden gestrichelte Sanduhrflächen oder hypermodern gestylte Unterstände für wartende Menschen? Haltestellen: Schnell errichtet oder luxurös und aufwändig konstruiert. Vor der Post oder anderswo. Ein paar kaum beachtete Quadratmeter mit einer kleinen Tafel für die Zeitangaben.
Haltestellen: alteingesessene Orte des Wartens. Auf den Bus, die Straßenbahn. Menscheninseln vom Verkehr umspült. Besetzt von den unterschiedlichsten Personen. Junge, alte, ruhige und nervöse, leise murmelnde und lauthals lachende, geduldige und schimpfende „Auf-die-Uhr-Blickende“. Sie alle finden wir vor. Und jeder macht irgendwann seine Erfahrungen damit. Seine ganz persönlichen.
Auf einer Plakatwand im Unterstand einer Posthaltestelle las ich vor Jahren den suggestiven Slogan „Ist da jemand?“ der jährlichen „Licht-ins-Dunkel-Aktion“ des ORF. Ist da jemand, der mitfahren möchte, der auf den nächsten Bus oder auf den Zug, auf das Taxi wartet? Die Antwort lautet noch immer: Ja! Viele sind da und warten! Tag für Tag. Jahrelang. Ein Leben lang.
Der Advent ist eine Zeit des Wartens. Es ist entscheidend, wie ich die Zeit an diesen Orten erlebe: Voller Vorfreude? Mit bangem Herzen? Habe ich gelernt zu warten? Viele Mitmenschen können mit den Adventtagen nichts mehr anfangen, weil sie das Warten verlernt haben. Auf etwas warten ist nicht mehr notwendig. Wir wünschen uns etwas. Verlangen es sofort und komplett. Am besten, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen.
Aber das ist nicht der Advent. Er fällt uns nicht in den Schoß, er will, dass ich mich auf das Fest vorbereite. Und wenn es nur geduldiges besinnendes Erwarten ist. Die wachsende Angst vieler Menschen, dass sie etwas oder sogar vieles versäumen, dass das Leben an ihnen vorübergeht, ist ein tragischer Zug unserer Gegenwart. Sie tun, als würde das Glück bei ihrer Lebens-Haltestelle nicht einbiegen und sie nicht mitnehmen auf die große Reise ins Morgen.
Im Advent erinnern wir Christen uns daran, dass Gott Zeit für uns hat. Er wartet auf uns und steigt bei uns ein, er holt uns ab und fährt mit. Mir fällt ein hintergründiger Werbespot ein: Ein Mann versäumt den Bus an der Haltestelle, obwohl er ihm wie verrückt nachläuft und zu erreichen versucht. Seelenruhig sitzt unterdessen eine junge Dame im Wartehäuschen der Haltestelle und tröstet ihn - mitleidig lächelnd - mit dem Angebot, über ihr Handy ein Taxi zu rufen. Geht es nicht auch uns manchmal so? Glauben wir nicht alles längst versäumt zu haben? Wir brauchen den Mut nicht verlieren. Gott ruft uns ein Taxi, wenn es notwendig ist.
Jeder Advent ist eine Zeit der Haltestellen. Selbst wenn sie winterlich verschneit sind, laden sie ein, übers Innehalten und Anhalten nachzusinnen. Übers Zeit haben und Zeit nehmen, über den richtigen Umgang mit der kostbaren Zeit. In Europa bauen wir Haltestellen und erwarten, dass die Menschen dorthin kommen. In Afrika sind die Haltestellen dort, wo die Menschen sind und sie brauchen.
Das ist Advent. Haltestellen für die Menschen, die auf Gott warten, auf sein Kommen. Vielleicht treffen wir uns demnächst und Gott bei der Haltestelle gleich um die Ecke vorm Haus?

Zwei Minuten – Einfach zum Nachdenken:
Welche Haltestelle in meinem Leben habe ich in guter Erinnerung?