Jede Nacht hat ihre Gebete. Meist sind sie stumm, geflüstert, geweint, manchmal hören wir davon, lesen sie nach. Manche sind für fremde Ohren und Herzen bestimmt, andere wiederum bleiben verborgen. Schriftstellerinnen und Autoren kehren hin und wieder ihr Innerstes nach außen und schreiben sie auf, die Gedankengebete der Nacht.
Ein beeindruckendes Beispiel für solche (adventlichen) Nacht-Gedanken ist der Text der burgenländischen Autorin Ana Schoretits. Ihr „Nachtgebet“ (zu Psalm 4) lautet:
Jahwe, du Gott meiner Tage
und Herr meiner Nächte
Der du hörtest Davids Gesang
bist mir treu in Freude und Furcht
Treuer als ich es mir sein kann
Du hörtest meinen kargen Ruf
reichst Brüdern und Schwestern die Hand
Auch wenn sie geizen mit ihrem Vertrauen
Übervoll sind die fliehenden Tage
voll von ewigem Suchen nach Nähe
und die Nächte harren mit Einsamkeit
Stille ist mir abhanden gekommen
Blind verbaue ich mir Wege zu dir
Erbarme dich, Jahwe, Herr meiner Zeit
Und wenn du mich rufst am taglosen Tag
Weiß ich mich sicher an deiner Hand
Du Quell meines Tages und Stern meiner Nacht
Jahwe, mein Gott, du wirst es verwehren
Dass ich den Weg beschreite in nackter Nacht
Da Sterne sich weigern Menschen zu sehen
Du wirst mir sichere Brücke sein
Aus lichtvollen Punkten und glänzenden Fäden
Nie vergehender Morgenröte.*
Der Advent kennt die dunklen, schweren Nächte. Ihre
Ängste und „fliehenden Tage“, die Einsamkeit und die
Schrecken der Gewalt, des Unmenschlichen. Aber unsere Hoffnung zeigt uns,
dass in dieser Finsternis, im Schatten des Todes, ein Licht aufstrahlt.
Licht, das Brücke ist, lichtvolle Punkte in die Morgenröte hinein.
Ich wünsche Ihnen einen herrlichen glaubenshellen Adventtag!
(*aus: Miteinander, April 2003)
Helmut Loder
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