HELMUT LODER'S Adventkalender
Die Nacht des Heils |
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12. Dezember
Leben auf der Schattenseite
Vom Nacht(s)leben müssen - Lichtallergien und andere Behinderungen

Nachts lebt Robert G. auf. Dann wirkt er unbeschwert. Tagsüber muss er sich immer und überall im Schatten aufhalten. Er leidet an der Lichtallergie EPP.
Wenn draußen die Sonne auf die Betonsilos in der Südstadt scheint und der blaue Himmel wie blank geputzt aussieht, sitzt er zwischen den Zimmerpflanzen in der abgedunkelten Wohnung. „Ich bin ein Schattenmann, aber noch lang kein Grottenolm", murmelt der 65jährige. Gegen die Sonne hegt er zwar keinen Groll, aber sie ist sein größter Feind. Erst wenn sie untergeht, ist der pensionierte Elektromechaniker wirklich sicher.

Der Niederösterreicher ist einer von etwa 30 Menschen in Österreich, deren Haut auf Sonnenlicht allergisch reagiert: Eine Stoffwechselstörung macht seine Haut überempfindlich für UV-Licht. Nur wenige Stunden in der Sonne bei Tageslicht verursachen Robert G. qualvolle Schmerzen: Was Urlauber als Sonnenbrand stolz vom Urlaub mit nach Hause tragen, sind für ihn Verbrennungen dritten Grades. „Mein langer Schatten", nennt es Robert G.

„Der Schatten" zwingt ihn, auch im Sommer Handschuhe zu tragen und lange Hemden. Und eigentlich mehr nachts als am Tage zu leben. Er führt ein separiertes Leben auf der Schattenseite unseres Alltags. Nachts geht er spazieren, lädt er Freunde ein. Er ist ein guter Freund der Nacht geworden. In der Jugend hat er darunter mehr gelitten als heute. Aber er hat „damit“ leben gelernt. Umgehen müssen.

Leben auf der Schattenseite. Nachts. Nicht nur in Österreich leben Menschen so. In Bukarest sind es bekanntlicherweise Kinder, die im Schatten des Tages leben. Täglich ums Überleben kämpfen. Straßenkinder, die in der Kanalisation, im Schutz der Finsternis feuchte, schmutzige Wohnhöhlen eingerichtet haben. Ein paar Quadratmeter, notdürftig „möbliert“.

Leben in der Nacht der Gesellschaft, der Öffentlichkeit. Gemieden und gejagt, kriminalisiert. „Niemandskinder“ werden sie auch genannt. Davongelaufen vor den Schlägen und Misshandlungen und der Not in ihren Familien. Leben in der Nacht unter der Straße. Betäubt von Rauschmitteln, um ihren tristen Alltag zu vergessen. Seit Jahren betreut von P. Georg Sporschill.

Auch das ist der Advent 2003. Blitzlichter vom Leben in der Nacht des Untergrunds, auf der Schattenseite der glitzernden lichtstarken Schaufenster. Wir dürfen jene nicht vergessen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht im Rampenlicht oder im grellen Scheinwerferlicht stehen. Jesus teilte bekanntlich ihr Schicksal. Geboren im Schatten der Gesellschaft. Am Rande, in der Nacht.