HELMUT LODER'S Adventkalender
Die Nacht des Heils |
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20. Dezember
Der Engel des Abends und der Engel des Lichts
Ein Bild und ein Text

Kein Zweifel: Engel sind „in". Engelbücher, Engelkarten, Engelspiele und Engelbilder in unübersehbarer Vielzahl drängen auf den weit gefächerten religiösen Markt; es „himmelt" von Engeln.“ Werner Tzscheetzsch, Professor für Religionspädagogik der Universität Freiburg im Breisgau, nähert sich einem Bild des Grazer Religionspädagogen Kurt Zisler: Der Engel des Abends.

Ein nahezu zweigeteiltes Bild, das Anklänge an die bekannten Bilder von Marc Rothko zeigt, der die Auflösung konkreter Formen in die Kraft der Farben zur Vollendung gebracht hat. In der oberen Bildhälfte dunkelblaue und violette Töne, in der unteren Hälfte ein warmes lichtes Gelb, in der Bildmitte eine kleine Zone des Übergangs mit rotorangen Tönen. Die Farbgebung unterstreicht die Zweiteilung. Aber nicht nur die Farbgebung: Von oben her ist eine fast schroffe Trennlinie zwischen hellem und dunklem Bildteil erkennbar. Die dunkle Seite des Bildes wird von der hellen dadurch deutlich geschieden.

„Engel des Abends“ hat Kurt Zisler sein Bild benannt. Der Abend, die bergende Dunkelheit, bemächtigt sich des Lichts, sanft und doch beherrschend, langsam das Lichte eindunkelnd und dann doch plötzlich und schroff verdrängend und überstimmend - der Wechsel von Tag und Nacht in europäischer Weichheit und äquatorialer Härte. Tagzeiten - Engel: Kurt Zisler hat Engel des Morgens, des Mittags und der Nacht gemalt und Engel des Lichts - und Engel als Ikonen. In Graz-Eggenberg hat er die Kirche „Zu den Heiligen Schutzengeln" ausgemalt: Jesus Christus von Engeln umgeben.

Engel sind tatsächlich „in“. Kurt Zisler aber schwimmt auf dieser Welle nur vermeintlich mit. Er entgeht der Gefahr, Engel naiv zu verkörpern, frömmelnd-kitschige Bilder zu malen, Engel anthropomorph ins Bild zu setzen. Bei ihm sind sie Licht„gestalten", ätherische Wesen, durchscheinend und doch ansichtig. Wie sollte man einen Engel auch anders malen? Der Engel als Geschöpf Gottes entzieht sich dem menschlichen Zugriff, und doch vermittelt er Gottes Nähe und Gegenwart.

Für den suchenden Menschen wird er zum Anhalt für Gottes bergenden Schutz: Im Engel nähert sich Gott den Menschen und der Mensch Gott; so sind Engel „Übergangsobjekte". Kurt Zisler stellt den Engel als Geschöpf hinein in die Schöpfung. Der Engel des Abends symbolisiert jene bergende Nähe, die nicht nur Kinder suchen, wenn der Tag schwindet und die Nacht Raum gewinnt. Und diese engelhafte Nahe können viele vermitteln:
Die am Bett der einschlafenden Kinder sitzenden Eltern ebenso wie der Freund oder die Freundin, die mich bergend in den Arm nehmen.

So kann jede und jeder zum Engel des Abends werden: Begleiterin oder Begleiter beim Wechsel vom Hellen ins Dunkle - und so erträglich machen, was bedrohen kann: die Dunkelheit der Nacht. Und als eine kleine Ergänzung:

Engel des Lichts
Hast du den Engel des Lichts gesehen?
Sanft streift er durch die Nächte der Welt
Legt hier Seine Hand auf ein Stöhnen
Blickt dort voll Erbarmen der Angst in die Augen
Und sagt in den Schrei der Verzweiflung sein lichtendes Wort
Hast du den Engel des Lichts gesehen?
Hier war er und dort und doch überall / Er streift durch die Nächte der Welt
Und gräbt in die Finsternis tief den Samen des ewigen Morgens
Streut Schweigen in jegliche Not

Hast du den Engel des Lichts gesehen?
Er trägt deine Nacht in den Händen / Du findest ihn immer in Dir
(A. Soete)