HELMUT LODER'S Adventkalender
Die Nacht des Heils |
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23. Dezember
Nachtwache - Hirten hören hin

„Da waren Hirten auf dem Felde.“ Sie hielten Nachtwache. So heißt es lapidar in der Weihnachtsgeschichte von Lukas. Es war Nacht und es war finster. Hirten – ausgerechnet sie, die damals zu den Ärmsten der Armen gehörten, zu denen, die am Rande der Gesellschaft lebten. Verachtet, von den Bessergestellten gemieden, ohne Stimme im Kreis derer, die die Macht und das Sagen haben. Ausgerechnet solche Leute! Hirten!

Hirten hätten die Botschaft gehört. Hirten werden angesprochen. Bemerken zuerst, dass etwas in der Luft, in der Nacht liegt. Hirten sind hörende Menschen. Sie hören auf die Geräusche der Nacht. Denn das Ohr schläft niemals. Der Jazzmusiker und Musiktheoretiker Joachim Ernst Behrend bezeichnet das Hören als weibliche Qualität im Gegensatz zum Sehen, das eine männliche sei. Im Hören empfangen wir, was sich dem Ohr anbietet. So sind Hörende – die Hirten – offensichtlich bereiter, auch das göttliche Kind zu empfangen, das unter den Menschen geboren werden will.

Von den Hirten heißt es, dass sie Nachtwache hielten. In der Nacht, da man kaum zu sehen vermag, verlassen sie sich ganz auf ihre Ohren. Sie lauschen in die Nacht hinein. Damit sind sie auch ein Sinn-Bild für den hörenden Menschen. Der offen ist für das Neue, Unerwartete. Der genau hinhört, was sich ihm darbietet.

Manfred Fischer hat in seinem Text „Niedergefahren zur Erde“ die Hirtenpassage deutlich aktualisiert: „Und in dieser selben Gegend / in der dunklen Nacht von Entwürdigung und Resignation, / in den Ballungszentren, wo Menschen eingespannt waren in Leistungsprozesse und Schichten, / da waren einige auf der Wacht. / Sie waren auf der Wacht in nächtlichen Straßen / und in Bahnhofshallen beim Schnellimbiss, / in Baracken am Rande der Stadt und in einsamen Wohnungen, / von Nachbarn und Verwandten vergessen. / Und sie hüteten des Nachts ihre Gedanken, /ihre Träume von einem erfüllten und erlösten Leben …

Diese dunkle Nacht der Entwürdigung und Resignation, die Finsternis der Enttäuschung und Gleichgültigkeit, die Verstockung der Angst und der düsteren Aussichten, sie sind auch uns bekannt. Aber nur wenige hören hinaus in die Nacht, auf die Zeichen der Zeit, auf den Lärm der Ankunft. Die meisten sind längst eingeschlafen, und verschlafen die Botschaft der Lichtbringer.
Martin Schmiedbauer fragt in seinem Weihnachtstext:
„Wo ist wie dieser Hirten einer, / der Rufer, Künder aus der Nacht, / der schlafverlornen, wie ein heller Engel tritt? // Wo ist in dieser stillstgelärmten, / der taubgeschlagnen lauten Zeit /
ein wachgefragtes Ohr / für unerhörtes WORT?“

Die Hirten jedenfalls sind aufgebrochen. Sie fackeln nicht lange und machen sich auf den Weg. Um zu sehen, was sie gehört haben. Was ihnen verheißen und versprochen wurde. Mit der Zusage im Herzen: Fürchtet euch nicht …! Ziehen sie los. Darauf haben sie gesetzt. Sie brechen aus aus ihrer dunklen Nacht und finden tatsächlich Unerhörtes: ein Kind, ein Neugeborenes. Sein Lächeln erleuchtet ihre Nächte, gibt Zukunft.

Sie ahnen, hier ist ihnen Gott ganz nahe gekommen. Kein Gott zum Fürchten. Einer, der auf Freude und Zuversicht, auf Hoffnung, Liebe und Frieden setzt.
Von nun an gehören sie dazu. Das hörten sie sicher gerne.
Damals, als das „Fürchtet-euch-nicht-Fest“ geboren wurde.