HELMUT LODER'S Adventkalender
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20. Dezember: Der gelebte Himmel

Zwei moderne Himmelsbeschreibungen und eine chassidische Geschichte.

Für viele Menschen . hat der Himmel keine Gegenwart mehr, er ist irgendwie immer weit weg. Wenige sagen, dass sie den Himmel auf Erden erleben (wollen). Wenigstens zeitweise, augenblicklang. Der Himmel ist zu weit weg. Verflüchtigt. Erledigt. Aber nicht ganz.

Der Himmel ist eine Erwartung. Das gilt natürlich auch für den Advent. Der Himmel ist eine Erwartung für das Leben danach, denn da wird es schon etwas geben, nicht wahr? Leider ist auch diese Position nicht mehr einsetzbar wie früher, und der Himmel nicht mehr das, was er einmal war. Der Himmel ist weit weg. Ausgewandert. Hat sich zurückgezogen. Ist blass und nebulos geworden. In Auflösung befindlich. Schriftsteller merken das schnell.

Harry Mulisch , ein niederländischer Autor, hat in seinem Buch "Die Entdeckung des Himmels" ein verrücktes surreales Bild des Himmels gezeichnet. Modern und doch gefangen in archetypischen Bildern, in scheinbar längst überholten Vorstellungen vom Himmel. Spannend, aber sehr konstruiert, satirisch und dann wieder scheinbar durchaus realistisch gezeichnet. Dieser Himmel ist entmythologisiert, ein Planungsbüro für strategische Manipulationsunternehmungen am Menschen. Ein deprimierend hoffnungsloses Buch, sagen die einen. Eine atheistische Himmelsbeschreibung, schreiben die anderen.

Die große Gegenwart. Ludwig Fels beschreibt in seinem autobiografischen Bericht "Der Himmel ist eine große Gegenwart" einen ganz anderen Himmel. In der Auseinandersetzung des Verfassers mit dem Sterben und Tod seiner Mutter erfährt der Leser den Himmel als Chiffre für Erinnerung, Aufhellung eines Menschenlebens, Transzendenzerfahrung. Der Text berührt, ist zutiefst menschlich, überrascht durch wunderbare Passagen wie: "Und wenn es so etwas wie eine müde Dämmerung gibt, einen Schein am Himmel, der mild und bleich ist, dann dieses Licht, in dem ich mir jetzt meine Mutter denke ." Hier ist einer (der Autor) und eine (die Mutter) auf der Suche nach dem Sinn, nach einem Himmel über die Banalität des Alltäglichen hinaus. Kein christlicher Himmel, aber eine Spur der Hoffnung: "Deine Sterne in deiner Nacht sind mir Zeichen genug, den Kopf zu heben, in diesem Abgrund von Welt zu winseln."

Ganz anders sieht der Himmel aus, wenn man die chassidische Geschichte vom großen Zaddik von Nemerow liest. Jener verschwindet immer in der Woche vor Rosch Haschana. Er sei zu der Zeit im Himmel, das ist für seine Gemeinde selbstverständlich. Ein Litauer aber glaubt das nicht, geht dem nach und entdeckt, dass der Zaddik in dieser Zeit einer armen Frau beim Brennholzsammeln hilft und dazu die vorgeschriebenen Gebet singt. Wenn später die Leute wieder sagen, der Zaddik sei verschwunden, zum Himmel emporgestiegen, da lacht der Litauer nicht mehr, sondern sagt: "Ja, zum Himmel empor."

Der gelebte Himmel. Das ist es. Ein geerdeter Himmel begegnet uns hier, übersetzt in Nächstenliebe und Hilfe. Der Himmel kommt zu der armen Frau. Der Himmel bekommt ein Gesicht und kräftige Hände. Im Advent sollten wir uns vielleicht mehr Zeit nehmen, da und dort solche Himmelserfahrungen der Liebe im Alltag einzustiften. Aufzufahren in den Himmel. Um ihn auf Erden lebendig werden zu lassen.