HELMUT LODER'S Adventkalender
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25 Die leere Krippe
Welt ging verloren, aber Christus ist geboren!

Heute ist Weihnachtstag. Freudenfeier-Festtag. Zeit, nach der mitternächtlichen Feier des Heiligen Abends noch einmal einen ruhigen Blick auf die Weihnachtskrippe zu werfen. Dabei kann man wahrhaft Erstaunliches entdecken: Im Weihnachtsbild der Glasfenster in der Kathedrale von Le Mans, so habe ich gelesen, ist alles zu sehen, was zu Weihnachten gehört: Maria und Josef, der Ochs und der Esel und der gemauerte Krippentrog. Nur die Krippe ist leer!

Hat der Künstler das Jesuskind vergessen? Ist er mit seiner Arbeit nicht fertig geworden? Wollte er testen, ob dieses Fehlen überhaupt jemand bemerkt? Würde die Welt, die Weihnachten begangen hat, das Fehlen des Christuskindes überhaupt bemerken? Wäre auch nur eine Feier abgesagt worden? Haben das Christkind und der Weihnachtsmann die weihnachtliche Szenerie nicht schon so gehörig vernebelt, dass man die Krippe gar nicht mehr anschaut? Ist der Krippentrog nicht längst bedeckt mit einem überdimensionalen Haufen von Geschenken und die Botschaft der Engelschar übertönt von klingelnden Handys?

Es ist höchste Zeit, einen zweiten Blick auf die Krippe zu riskieren. Vielleicht hat der Künstler von Le Mans das Krippenkind absichtlich weggelassen? Vielleicht will er uns sagen: Haltet euch nicht zu lange mit dem holden Knaben im lockigen Haar auf. Wendet eure Aufmerksamkeit dem erwachsenen Jesus von Nazaret zu. Dem Christus, in dem Gott und die Welt sich verbinden. Josef Reding hat in seinem Artikel „Lebte Christus nur ein paar Stunden?“ darauf hingewiesen. Dass nämlich unsere Vorstellung von Jesus Christus auf das eines Krippenkindes zusammengeschrumpft ist und die ersten Stunden seines Lebens so angestrengt und aufwendig abgefeiert werden, weil fast alles an seinem weiteren Wirken und Reden die Menschen irritiert.

Die leere Krippe verunsichert. Da liegt kein lieblicher Bengel mehr drin. Aus dem Jesuskind wird ein Provokateur der Reichen und Frommen, einer der schlecht fürs Geschäft im Alltag ist, ein Konkurrent aller weltlichen Macht.
An Jesus dem Christus scheiden sich die Geister. An ihm entscheiden sich Leben und Tod, Himmel und Hölle. Aus den Windeln der Weihnachtskrippe schaut uns der allmächtige Gott ins Gesicht. Wer an seine Krippe tritt, muss sich entscheiden, auf welche Seite er sich stellen will; auf die Seite des Lichts oder der Finsternis.
Auf die Seite Gottes oder der Welt, auf die Seite des Lebens oder des Todes.

Gott kommt zur Welt, um sie wieder zu sich zu holen. Um ihr Heimat zu geben. Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Alle anderen Wege führen nicht nach Hause, sondern ins Nichts.
Auch zu Weihnachten bleibt die Welt weltlich. Sie putzt sich heraus, legt ihr teuerstes Make up auf.
Und kommt doch um eine Erkenntnis nicht herum: Welt ging verloren, Christ ist geboren, heißt es im bekannten Weihnachtslied „O du fröhliche!“.

Dieses Lied hat den Mut zur großen Theologie von der Welt, die sich nicht selbst retten kann. Und dem Gott, der zur Welt kommt, um sie nach Hause zu bringen. Aber niemand will ihn hören! Immer wieder steht der Evangelist fassungslos vor der Tatsache: Die Seinen nahmen ihn nicht auf. Es ist kein Raum in der Herberge. Der holde Knabe im lockigen Haar wird gefeiert. Aber der, der die Bergpredigt hält, wird niedergebrüllt.
Der Krippensäugling löst Rührung aus, und der die Händler aus dem Tempel treibt, wird ans Kreuz geschlagen. Vielleicht wollte der Maler der Kirchenfenster von Le Mans mit seiner leeren Krippe auch sagen:
Das Jesuskind ist ohne den Christus nicht zu feiern. Wer dem Christus den Rücken kehrt, muss auch vor der leeren Krippe stehen.

Gehen wir in uns und schauen wir nach, ob nicht auch unsere Krippe zuhause oder im Herzen, leer ist.
Wenn ja, dann kann es doch sein, dass das herzige Jesuskind seine Krippe längst verlassen hat
und als Jesus unterwegs zu uns ist. Und nur darauf wartet, dass wir ihn einlassen.
Oder liegt in deiner Krippe ein Kreuz?