Der rettende Strohhalm

Gott wird sichtbar im Unscheinbaren!

Advent = Stroh. Zumindest in der geglätteten Form. Die sauberen Halme und Röhrchen haben kaum etwas gemein mit dem schmutzigen Stroh vom Stall, der notdürftigen Unterkunft des jungen Paares in der fremden Stadt Betlehem aus der Weihnachtsgeschichte. Die goldgelbe, brüchige, stichige Unterlage und Einlage für die Tiere erfährt für wenige Tage ihre Ehrenrettung. Stroh war das Gold der Bauern. Hieß es einmal. Das ist lange her. Heute kommen die handlich geschnittenen Halme für viele Kinder nur mehr im Bastelladen vor. Und zu Weihnachten wird in der Schule ein Strohstern gebastelt. Dabei war Stroh ganz wichtig: als Unterlage für die Tiere, und Baustoff für die Häuser. Stroh kommt auch im Märchen vor. Bei Rumpelstilzchen soll ein Mädchen Stroh zu Gold spinnen. Der uralte Traum. Die ehrgeizige Mutter will für das Mädchen eine schöne Zukunft gewinnen. Das scheinbar wertlose Material soll sich in Wertvolles verwandeln. In Gold. In Zukunft und Liebe. Und außerdem verweist das Stroh auf die Krippe.

Ist der Advent nur ein Strohfeuer? Oder der rettende Strohhalm? Auf jeden Fall eine Zeit, in der die Zeichen lebendig werden. Das wertlose Stroh verwandelt sich in Sterne, und Gott legt sich in die Krippe. Der Allmächtige ist sich nicht zu schade, ganz einzutauchen in die Menschenwelt. Er schätzt das harte Lager in der Felsgrotte bei den Tieren der Hirten. Und im Nachhinein wird aus dem billigen Material die Tischdekoration für das Geburtstagsfest des Kindes von Betlehem. Das Märchen wird wahr: Aus Stroh wird das Gold der Liebe. Der Gott, der sich hineinlegen lässt in die harte Unterlage, ist ganz Mensch geworden und fängt von unten und von vorne an. Radikal. In einem Text aus dem Jahre 1995 habe ich es so formuliert: „in der grotte/ beim vieh/ gab es wenig zu sehen / erschöpfte eltern/ und ein schreiendes kind// aber das licht für die welt/das sich am stroh entzündete/das konnte sich sehen lassen! …

Advent: Wie sieht mein „Stroh“ im Alltag aus?