Spiegelscherbe - Selbstporträt mit Fehlern

Ich schau so gern in den Spiegel ... meiner Seele!

In der Garderobe und in den Sanitärräumen hängen sie, goldgerahmt oder metallisch gefasst, durch kleine Spots zu einem Lichtobjekt geadelt. Länglich, oval. Einfach Spiegel, der Formenreichtum ist groß. Und manchmal sind sie selbst besonders groß geraten. Damit man alles gut sieht. Sich selbst in allen Details. Jede Einzelheit, die schiefe Nase, die unansehnlichen Pickel, die ersten Falten, die abstehenden Ohren, die gelben Zähne. Ich schau nicht gern in den Spiegel. Ein schneller, meist oberflächlicher Blick zur Kontrolle muss genügen. Ich verweile nicht zu lange vor dem Sinn-Bild der Erkenntnis und Wahrheit. So manche/n aber erlebe ich als sehr verliebt in sein Spiegelbild. Stundenlang können sie davor stehen, um ihr Äußeres zu überprüfen. Und hin und wieder passiert es, dass ein Spiegel in 1000 Scherben am Boden liegt...

Advent: Es ist Zeit, in den Spiegel zu schauen. Ein Sofortbild unseres Lebens zu knipsen. Die dünne Silberschicht hinterm Glas zeigt uns so gut wie nie das wahre Gesicht. Wir tragen viele Masken. Aus Angst, Unsicherheit, Eitelkeit und Stolz. Wir träumen gerne vom idealen Aussehen und Sein, und verschließen die Augen vor der Wirklichkeit. Es ist Advent: Zeit, uns selber in die Augen zu schauen. Uns mit den Augen Gottes anzuschauen. Denn der sagt: Lass gut sein, ich liebe dich, so wie du bist. Nicht alles, was du tust, aber ich stehe zu dir. Das ist eine gute Ausgangsbasis. Für einen adventlichen Blick in den Spiegel, in das Selbstporträt mit Fehlern und Scherben. Ödön von Horvath hat geschrieben: Eigentlich bin ich (eh) ganz anders, ich komm nur so selten dazu. Stimmt das auch für mich?

Advent: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer bin ich wirklich? Wer möchte ich sein?