HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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5 „Hinter-(dieser)-Tür!“
Von Hintertüren und anderen seltsamen Ausgängen

Normalerweise betritt man einen Raum durch die Eingangstür, die Vordertür. Und verlässt ihn auch wieder auf diesem Weg. Manchmal aber – an besonderen Tagen oder zu bestimmten Zeiten – verschwinden kleine und größere Menschen auf schnellstem Wege durch die „Hintertür“. Zum Beispiel am 5. Dezember. In vielen Orten Österreichs ist heute Krampustag. Der Kinderschreck geht wieder um. Das hässliche Zottelwesen mit der finsteren Maske und der Butte auf dem Rücken. Angeblich der Begleiter des heiligen Nikolaus. Aber in unseren Tagen treten die Buttenmandeln, Bartln, Habergoaßen oder wie immer die Verwandten und Vorfahren des heißgeliebten Kinderschrecks auch genannt werden, selbstverständlich allein auf. Kein Problem für die Veranstalter. Wehe, wenn sie losgelassen von den Lastwägen springen. Dann laufen einzelne Krampusse oder größere Horden grölend und brüllend durch die Stadt, erschrecken die kleinen und großen Kinder. Laufen ihnen nach. Laufen mit ihnen um die Wette. Schlagen zu. Mit der Rute, mit der Kette. Manche fassen eine ordentliche Tracht Prügel aus. Oder werden verletzt. Ein alter Brauch. Sattsam bekannt. Aber regelmäßig jedes Jahr bricht eine Hysterie aus, die kaum erklärbar ist. Ein Brauch wird missbraucht. Und fordert seine Opfer.

Vereine wetteifern miteinander, wer den größeren Umzug oder Kirtag veranstaltet. Der Alkohol fließt in Strömen. Geld spielt keine Rolle. Übertrieben? Vielleicht. Aber wer daran zweifelt, sollte sich einmal tatsächlich hautnah unter die Jugendlichen (und Erwachsenen) mischen, die zu später Stunde noch mit derben Sprüchen und schnellen (Haken)Schlägen den Krampussen den Kampf ansagen oder ihr Heil in der Flucht suchen. Krampustag heißt scheinbar den Aggressionen freien Lauf lassen. Manchmal stehen Mütter mit schreienden Kindern am Rande des Geschehens, tröstend, beruhigend. Brauchst dich nicht fürchten. Der ist nur verkleidet. Aber die Furcht der Kleinen ist echt. Vor dem finsteren „Kramperl“, dem Teufel (!), der das Kind in Angst und Schrecken versetzt.

Ein seltsamer „Ausgang“. Kein friedlicher Spaziergang. „Äktschn“ ist angesagt. Die Szenen sind bekannt und wiederholen sich jährlich. Ein Fluchtweg, ein AUS-Weg. Durch die „Hintertür“ schleicht sich das Böse und Dunkle, das Animalisch-Dämonische, das Ungebändigte unserer Seele in den staubfreien Alltag herein. Verständlich und grundsätzlich auch nicht problematisch. Aber manchmal erschrickt man angesichts der Gewalt und der Energie, die dabei frei wird, der Tür und Tor geöffnet werden. Bei diesem Rummel, da kann ich mich so richtig gehen lassen, weil mich keiner erkennt, sagt ein junger Bursche mit einem roten Striemen, quer übers Gesicht gezogen.

Was einmal in archaischen Sippen Sinn hatte für die Gemeinschaft, der Kampf mit der Dunkelheit, der Finsternis, das Unschädlichmachen der bedrohlichen Götter, ist heute Spektakel für die Wirtschaftstreibenden. Den lebensbedrohenden Mächten der Finsternis einen Spiegel vorhalten, seine Angst hinausbrüllen, gewaltigen Lärm machen mit Glocken und anderen Instrumenten, die „bösen Geister“ verscheuchen, um danach erschöpft und mit größerer Zuversicht und Lebensfreude sein Leben zu leben, das war überlebensnotwendig. Und fand seinen Ausdruck in Feier und Kult.

Und wir? Wir laufen zuerst hin und später davon. Verstecken uns hinter der Tür unserer „coolness“ und Gleichgültigkeit. Halten uns alle Flucht-Türen offen, rennen vor unseren Ängsten und Schwächen davon. Hintertüren kommen eigentlich nur mehr in billigen Romanen vor. Im Advent auf dem Hauptplatz, wenn sie kommen, die lärmenden Gesellen der schlagenden Zunft, sollten wir uns daran erinnern, dass Gott nicht durch die Hintertür kommt. Er kommt offen und freundlich, dessen bin ich gewiss, in guter, nein bester Absicht und er braucht sich nicht zu verstecken. Denn Er droht nicht, und rasselt nicht mit den Ketten...

Ein Hinweis:
Im Wiener Museum für Volkskunde wurden bis Ende Jänner 2001 über 500 „Grußkarten vom Krampus“ aus der Kollektion Ernst Brodträger gezeigt: www.nhm-wien.ac.at/bundesmuseen. Vielleicht hast du auch noch solche Karten zuhause? Welche Zerrbilder werden auf ihnen transportiert?