HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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18 „... nur zum Spaß?“
Von den Drehtüren der Unterhaltungsgesellschaft.

Beim ersten Mal muss man wirklich gut aufpassen, wenn man die Drehtür, präziser formuliert, den kreisrunden Glaskäfig beim großen Kinocenter in Graz betritt beziehungsweise durchschreitet. Schon der Eintritt ins lärmende Augen-, Hör- und Tastparadies der „fun-world“ ist ein inszeniertes Ereignis, pardon, ein „event“. Da verwandeln sich sogar die Türen in bewegliche, sinnliche, medial aufgeladene Eintrittsmaschinen. Überraschenderweise befinden sich für all jene, die mit solchen Türen nicht umgehen können oder wollen, rechts und links vom rotierenden Glaskreisel, zwei stinknormale Glastüren mit Klinke.

Drehtüren, Schwingtüren. Die Tür als Erlebnisobjekt. Gleich am Eingang. Spektakulär. Den Besucher von vornherein gefangen nehmen. Alles nur zum Spaß. Freude, Friede, Eierspeis. Dahinter steckt aber Berechnung, System. Die Eingangstüren verblüffen, bringen Bewegung mit sich, Gelächter ist immer wieder zu hören. 2 Meter hohe Filmplakate an den Wänden der beweglichen Tür ziehen die Blicke auf sich und sorgen für permanente Wortspenden der Eintretenden. Riesenposter der Filmschauspielerinnen und Idole und Filmausschnitte lassen den spärlich eingesetzten adventlichen Raumschmuck daneben recht blass aussehen.
Die Drehtüren haben etwas Magisches an sich. Sie öffnen einen schmalen Spalt, der sich rasch vergrößert, lassen einen eintreten und bieten jedem die Möglichkeit im Schwung des Hereinkommens gleich wieder hinauszugehen. Oder 1 – 2 Runden zu drehen. In Schwung zu kommen. In einem Großkaufhaus hat man in der Mitte einer solchen Drehtür das wöchentliche Super-Sonderangebot aufgebaut. Natürlich grell beleuchtet. Eintreten und sofort die Aufmerksamkeit auf die Ware lenken. Die Chance, gleich wieder die Flucht zu ergreifen, wollte niemand nützen. Ausgenommen jenes kleine Kind, das die kurze Zeitspanne, in der sich die „Tür“ als freigewordene Öffnung anbietet, versäumt hatte und bitterlich weinend erschrocken noch einmal im Kreis ging. Um endlich hineinzukommen. Im Kreis gehen. Im Schwung einer Spieltür. Für den lustvoll agierenden Käufer. Spielerisch. Ein Bild für den Advent? Für den Menschen des Advents?

In einem Film von Henri Bresson verbringen die Darsteller die meiste Zeit damit, Türen zu öffnen, hereinzukommen, diese zu schließen, wieder hinauszugehen und hereinzukommen, und das alles in einem extrem komprimierten Zeitraum. Türen öffnen, durchschreiten, Türen als Spiel-Zug. Spiel-Zeug? Die meisten Türen wollen und müssen überwunden werden, erobert! In vielen Märchen gibt es die „Türen der Wahrheit“: Man kann sie nicht durchschreiten, ohne „entlarvt, durchleuchtet, erkannt“ zu werden. Bei der „Frau Holle“ gibt es sie: die eine wird mit Gold überhäuft (belohnt), die andere mit Pech überschüttet (bestraft). Drehtüren erinnern mich an solche „Wahrheitstüren“. Sie sind nicht nur „märchenhaft“ gestaltet, sie verzaubern uns. Sie drängen uns in den Leerlauf einer Unterhaltungsgesellschaft, die nur mehr das Spektakuläre und Reißerische sucht. Auch im Advent.

Und noch etwas fällt mir dabei auf: Irgendwie scheinen sie den Eintretenden nicht gern und nicht immer freiwillig loszulassen, freizugeben, in die Welt nach draußen zu entlassen. Der Schwung führt zurück ins Innere, in den Kreisverkehr. Jederzeit kann ich, wenn ich nach dem Film hinausgehen will, wieder einkehren, den Schwung ausnützen und nochmals eintreten in die flirrende Welt des überschäumenden Amüsements. Drehtüren haben es in sich.
Die Drehtüren des Advents sind aufregend gestaltet. Und manchmal drehen wir uns darin wie verrückt im Kreis, laufen den oberflächlichen Sensationen mit hoher Geschwindigkeit nach, pressen unsere Nasen an die Glasscheiben des Türenkäfigs und können es nicht fassen, dass wir all die wunderbaren Objekte der Glitzerwelt nicht wirklich in die Hand bekommen können.
Wir sind - ständig - unterwegs. Aber scheinbar laufen wir allzu oft im Kreis. Unser Ziel sollte Betlehem sein. Und nicht das ständige Kreisen um eine ökonomische, mediale Mitte. Advent ist die Chance des Aufbruchs. Besser gesagt, des Ausbruchs. Aus dem wohltemperierten Luft-Raum der Drehtür. Einzutreten in den Klang-Raum der Frage nach dem, der vor 2000 Jahren in einem Viehstall geboren wurde und der Welt Gott gezeigt hat.
Also, nichts wie durch, durch die Drehtür!