HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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3 „Schutz oder Abschirmung?“
Von Hoftüren und Scheunentoren, oder: Wenn Gott vorbeikommt ...

Man muss schon richtig danach suchen, nach den schönen alten Hoftoren, die den Hof vor fremden Blicken und bei Sturm oder bei Gefahren (in früheren Zeiten) schützten. Die Tür oder ein starkes Tor, das den Innenhof vom Draußen abschirmt, scheint überhaupt außer Mode gekommen zu sein. Die Türen waren fast immer kunstvoll bemalt, geschnitzt oder gezimmert. Inzwischen finden wir die kümmerlichen Reste solcher altgedienten Tore bestenfalls im Holzschuppen verlassener Bauern- oder Gutshöfe. Im oststeirischen Übersbach hat vor einigen Jahren ein Bauer sein altes wunderschönes Hoftor mit den klassisch-traditionellen Motiven sachkundig restauriert. Grüner Hintergrund mit weißen (Sonnen)Strahlen – einem Sonnenradmuster ähnlich. Dieses Tor fällt mir jedes Mal, wenn wir daran vorbeifahren, ins Auge. Der Haken daran ist lediglich der, dass es funktionslos ist, einzig und allein Zierde, Blickfang für die Vorbeifahrenden. Dieses Tor hat keine Aufgabe mehr. Es gibt keinen Hof, der beschützt und abgeschlossen werden muss, keine Scheune, in der Kostbares gelagert wird.

Die schweren Tore der alten Bauernhäuser schirmten den Innenhof vor Neugier und Einmischung ab. Oft wusste niemand, was tatsächlich hinter den Toren vor sich ging, welche Sehnsüchte und Hoffnungen verborgen blieben oder unterdrückt wurden, welches tragische Schicksal den Bewohnern hinter den Holzbrettern auferlegt war. Es gibt viele Dokumente, Romane und Erzählungen aus der Perspektive von Betroffenen, Ausgebeuteten, zur Sprachlosigkeit Verdammten, von jenen Tragödien und menschlichen Grausamkeiten, wie sie zum Beispiel Franz Innerhofer in seiner Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte auf dem elterlichen Hof hinter verschlossenen Türen unter dem Titel „Schöne Tage“ berührend beschrieben hat. Tore können vieles verbergen.

Die andere Seite, das Bewahren und die Pflege, die Weitergabe von einmal gefundenen Lebenslinien, das Festhalten an jahreszeitlich gewachsenen Festen und Bräuchen ohne jedem neu auftauchenden „Trend“ nachzulaufen, auch das ist ein Teil dieser Wirklichkeit. Tradition und Heimat, Brauchtum und Verbundenheit mit einem Leben in und mit der Natur, das gehört wie vieles andere Positive zum Bild der sehr oft nur mehr in Freiluftmuseen zu bestaunenden Höfe und Tore. Die Bauern wussten, wie das Scheunentor konstruiert und beschaffen sein musste. Sie hielten sich an die Erfahrungen, die über Generationen weitergegeben wurden. Die Menschen auf diesen Höfen haben damals wie heute Großes geleistet und schwer gearbeitet. Sie erhofften sich eine Verbesserung ihrer materiellen Lage. Ob als Bauer oder Knecht. Sie warteten auf den Lohn ihrer Mühe. Im Diesseits wie im Jenseits. Sie suchten Gott und hofften, er möge zu ihnen kommen, bei ihnen vorbeischauen. Eines Tages ans Tor klopfen und bei ihnen zu Gast sein. Einfach nur da sein für sie und ihr Leben aufwerten.

In einer adventlichen Geschichte – einem Zigeunermärchen - wird von einer Frau berichtet, bei der sich Gott zu Besuch anmeldet. Sie macht sich daran, die Wohnung zu putzen und auf Hochglanz zu bringen. Während sie alles vorbereitet und den Tisch schmückt, klopft es, ein Bettler steht vor der Tür. Die Frau weist ihn ab mit dem Hinweis, sie habe keine Zeit heute, sie warte auf Gott. Bald darauf steht ein alter Mann und später ein zerlumpter Landstreicher vor der Tür. Beide werden weggeschickt: Gott komme nämlich jeden Moment. Aber sie wartet vergebens den ganzen Tag. In der Nacht erscheint ihr im Traum Gott und teilt ihr mit, er habe sie drei Mal aufgesucht, aber sie habe ihn jedes Mal hinausgeworfen, sozusagen vor die Tür gesetzt. Das Ende bleibt offen.

In der Geschichte geht es einerseits ums rechte Warten, um die notwendige Geduld und die verstärkte Aufmerksamkeit, um die Wachsamkeit in meinem Leben. Auf Gott warten will gelernt werden. Wir müssen täglich unsere überfrachteten Terminpläne ändern, Neues mitbedenken und die Hof- und Scheunentore weit aufmachen. Wer sich zurückzieht, ohne Gemeinschaft zu suchen, wer Gott sucht, ohne sich um den Mit-Menschen zu kümmern, der wird obiges Schicksal erleiden.

Der Advent ist wie ein altes Hoftor, Blickfang und Zeugnis für die Beständigkeit unserer Gotteserwartung. Gleichzeitig aber muss der Advent wie jedes Tor regelmäßig nachgebessert, geölt, neu lackiert und verschönert werden. Nur dann kann diese Zeit (und das Tor) ihre Aufgabe erfüllen. Offen zu bleiben für das Leben. In Fülle. Weil Gott es mit uns leben will.