HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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15 „Ein sanfter Druck genügte, das Tor war offen!“
Rom 2000 - Die Heilige Pforte, das Heilige Jahr

In allen Religionen und Kulturen gibt es ganz besondere, identitätsstiftende wichtige Türen, „heilige“ Türen. Sie dienen einem speziellen Zweck, sind meist kunstvoll konstruiert und verkörpern ein herausragendes, wegweisendes Zeichen. Die Heilige Pforte in Rom ist eine solche Tür, beziehungsweise ein solches Tor für die Christen.

Sie wurde von Papst Johannes Paul II. am Heiligen Abend 1999 nach 25 Jahren wieder geöffnet. Für den 263. Nachfolger des hl. Petrus war dieser Weihnachtsabend ein persönlicher Triumph: Trotz des Attentats von 1981, trotz schwerer Krankheiten und Unfälle hat es der 80jährige Karol Wojtyla geschafft, den Übergang vom zweiten nachchristlichen Jahrtausend ins dritte selbst symbolisch zu vollziehen.

Mit eigenen Händen drückte er in der Nacht der 2000. Wiederkehr des Geburtstages Christi das Portal im Petersdom auf, das nur alle 25 Jahre geöffnet wird, jeweils zu Beginn der so genannten „Heiligen Jahre“.

Der bisher geübte Ritus, mit dem Hammer gegen die Mauer vor dem Tor zu klopfen und diese damit symbolisch zum Einsturz zu bringen, war einer einfacheren Geste gewichen. Der Wille und der Druck einer schwachen Hand sollten genügen, das Tor vor der Schwelle zur Gnade zu öffnen. Von den Bildern, die dieses Pontifikat prägen werden, wird zweifellos dieses bleiben: Der greise Papst in einem paradiesvogelbunten Choralmantel kniend auf der Marmorschwelle, die den Vorraum von dem Hauptschiff der Petersbasilika trennt. Die Kirche liegt in Dunkel und Schweigen. Auf sein Kreuz gestützt lauschte der alte Mann an der Spitze der (römisch-katholischen) Christenheit aufmerksam in die finstere Stille. Dann erst kündigten Festbeleuchtung und afrikanische Hornbläser den Beginn des Jubiläumsjahres an. Christen aus Ozeanien hängten Blumengirlanden an den Türrahmen und gossen Duftessenzen auf die Schwelle, ehe der Papst sie zum Zeichen des Eintritts in eine neue Epoche überschritt.
Weltweit konnten fast 1 Milliarde Menschen diesen Übergangsritus via Bildschirm verfolgen, sogar in Havanna und in Betlehem, der Geburtsstadt Jesu. Es war ein ungemein intensives Zeichen jener Aussage, die da lautete: Seht her, ich öffne die Tore der Kirche! Diese Tür aufzumachen bedeutet Einblick zu gewähren, zu bekennen, dass Jesus Christus die „Tür ins Leben“ ist, zu signalisieren: Schaut her, wir wollen uns öffnen für alle, kommt herein und habt Anteil an der Erlösung durch den Gottmenschen aus Nazaret!

Es war ein sanfter Druck, der die Pforte öffnete. Kein gewaltsames Aufbrechen, kein Hammerschlag, nur lautes Klatschen begleitete die „Er-Öffnung“ des Bronzetores. Obwohl am 6. Jänner 2001 die Heilige Pforte wieder geschlossen wurde, sollten wir uns daran nachdrücklich erinnern und mit Sorge tragen, dass es nicht allein bei einer gutgemeinten Geste bleibt, und die Erneuerung der Kirche nicht zum bloßen Fassadenputz verkommt. Johannes Paul II. hat in diesem Moment vielleicht an den Ausspruch von Kardinal Stefan Wyszinski gedacht, der nach der Papstwahl meinte: „Du wirst die Kirche ins dritte Jahrtausend führen müssen!“

Noch viele Türen in den Kirchen – nicht nur in Rom - warten in diesen Tagen auf ihre „Er-Öffnung“. Manche sind gut zugemauert, an anderen wird heftig gerüttelt und gerissen, wieder andere stehen längst sperrangelweit offen wie die Pforte im Petersdom, aber wenige überschreiten die Schwelle mit frohem Mut und Gottvertrauen.

Eine Tür ist das Zeichen einer Trennung, einer Grenze. Dahinter beginnt etwas Neues. Das Öffnen der Heiligen Pforte verstehe ich als starkes Sinn-Bild der Er-Öffnung eines neuen Zeitraums, eines neuen Jahrtausends mit vielen ungeahnten und befreienden Möglichkeiten. Mit Chancen und Gelegenheiten, die Botschaft von der Liebe Gottes, Mensch geworden in Jesus Christus, weiterzutragen in die Geschichte und Zukunft der Menschen dieser Welt und Zeit.

Vielleicht aber wäre es ein noch stärkeres Zeichen, wenn diese Tür, die Heilige Pforte – in bewusster Abänderung der Tradition – geöffnet bliebe, als ständige Einladung und Hinweis, einzutreten in den Raum der Gemeinschaft aller Christen, bei Wort und Brot?