HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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12 „Bitte zurücktreten! Die Türen werden geschlossen“
Selbstschließend: Türen in der U-Bahn und Tram

Zischend fahren die beiden Segmente der Tür in der U-Bahn aufeinander zu und verschließen den Waggon. Leise, fast unmerklich setzt sich der Zug in Bewegung und erreicht in kürzester Zeit ein beachtliches Tempo. Die dunklen Wände des U-Bahnschachtes fliegen an den Fenstern vorbei. Schon tauchen die ersten Reklametafeln der nächsten Station auf. Tausende Male geschieht dieser Vorgang täglich. Öffnen, schließen. Draußen, drinnen. Mitfahren, dabei sein, weiterkommen.

Menschen hasten in das Innere der Fahrzeuggarnituren, lassen sich erschöpft und abgehetzt in den Sitz fallen. Und immer wieder ein bekanntes Bild: In letzter Sekunde eilt noch jemand auf die Garnitur zu und ... kommt zu spät. Die Türen haben sich schon geschlossen. Die Türen bleiben zu. Ab geht die Post. Ein vertrautes Bild, eine Erfahrung von vielen Mitmenschen: Zu spät gekommen!

Die Türen sind verschlossen. Zischend oder fast unhörbar leise. Ob in der Straßenbahn oder beim Linienbus. Es ist eine bittere Erfahrung. Draußen vor der Tür zu stehen. Enttäuschung, Ärger steigt hoch. Schade! Zu spät gekommen. Und die, die drinnen sitzen, mitfahren, weiterkommen, lächeln still in sich hinein oder sind schlicht schadenfroh. Es ist wie im Leben. Manchmal kommen wir unweigerlich zu spät. Will man auch manchmal sein Schicksal bezwingen, wenn man noch wie verrückt auf den Einsteigknopf drückt, in den meisten Fällen ist es umsonst. Und zu weit sollte man dabei auch nicht gehen. Viele schreckliche Unfälle mit abgetrennten Beinen oder gar Todesfällen sind in diesem Zusammenhang schon gemeldet und geschildert worden.
Es sind Türen, die wie von Zauberhand geschlossen werden, sich selbsttätig verschließen. Modernste Technik im Dienst der Öffentlichkeit für die mobile Gesellschaft von heute. Ein symbolisches Bild für vieles, was in unserer Zeit eben passiert: Menschen werden ausgesperrt, kommen zu spät, kommen nicht mit, sind nicht erwünscht, nicht „brauchbar“.

Schon zu Jesu Zeiten gab es diese Erfahrungen. Kranke, Behinderte, alte Menschen und Frauen waren vielen Einschränkungen beziehungsweise Aussperrungen ausgesetzt. Ihnen blieb so manche „Tür“ in ihrem Leben weitgehend verschlossen. Sie konnten nur zusehen. Am Rande stehen. Jesus brach mit der „Gewohnheit“ und der unmenschlichen Tradition oder sogar mit dem Gesetz, ging auf die Ausgegrenzten zu und eröffnete ihnen neue Zugänge.

In einer Zeit der ungeheuren Belastungen, der totalen Konzentration auf höchste Leistungsfähigkeit darf uns die Hinwendung zum gebrechlichen Menschen, zum nicht mehr leistungsfähigen, schuldig gewordenen Menschen nicht verloren gehen. Es sollte uns viele Anstrengungen wert sein, dass sich die Türen in unserer Gesellschaft nicht automatisch vor denen verschließen, die nicht zu den Schön(st)en, Begabtesten, Reichsten und Privilegierten zählen.

Gerade im Advent sollten wir uns nicht mit oberflächlichem Gefühl begnügen. Sollten uns besonders dieser Menschen besinnen und uns an sie erinnern, an jene, die scheinbar dauernd zu spät kommen, kaum gut wegkommen. Die oft vor verschlossenen Türen stehen. Wie von Zauberhand verriegelt und verschlossen.
Zischend öffnet sich die Tür in der Straßenbahn auf mein Signal. Freundliche Menschen blicken mir entgegen. Das könnte Advent sein. Damit der Gottessohn nicht vor der verschlossenen Tür steht. Automatisch ausgeschlossen.

Bitte einsteigen, eintreten. In den Stall zu Betlehem. Hier beginnt eine neue Zeitrechnung.