HELMUT LODER'S Adventkalender
Türen ins Licht |
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24 „Die kleine Pforte zur Erlösung“
Der Eingang zur Geburtskirche in Betlehem

In den letzten 24 Tagen haben wir miteinander viele unterschiedliche Türen kennen gelernt, für uns selbst und für die Zeit des Advents entdeckt. Heute steht der kleine Eingang zur Geburtskirche in Betlehem im Mittelpunkt. Ein starkes Zeichen, eine Kirchentür der überraschenden Art: Nur wenig mehr als einen Meter und zwanzig Zentimeter hoch, präsentiert sich das kleine Eingangstor als ernstzunehmendes Hindernis für alle, die ohne sich bücken zu wollen, durchs Leben gehen. Aber es heißt auch: „Tretet ein durch die enge Pforte!“ (Mt 7,13). Von den ehemals drei großen Eingangstoren, die ins Innere der Geburtskirche führen, wird heute nur noch die mittlere benutzt, die aber zum Schutz gegen Überfälle bis auf eine enge, niedrige Pforte zugemauert ist. Jede Dorfkirche, selbst die kleinste Kapelle hat ein größeres und schöneres Portal. Deshalb stellt dieser unscheinbare Einlass ein wunderbares Sinnbild dar: Wer zur Krippe Jesu gehen will, muss sich zuvor bücken und allen Stolz ablegen. Nur dann kann er oder sie „zum König der Herrlichkeit“ (Ps 24,9) gelangen.

Betlehem ist eine Touristenstadt. Besonders in diesen Weihnachtstagen. Die Geburtskirche und das Hirtenfeld sind die ersten Adressen für die Gläubigen und Pilger aus aller Welt. Alle, die hierher kommen, haben schon von ihr gehört: Von der speziellen Eingangstür, künstlich klein gemauert, damit Berittene nicht ins Innere der Kirche reiten konnten. So wird es erzählt. Die kleine Pforte als Zeichen, Einladung zur Demut. Eine Tür mit Hinweischarakter zur Erlösung.

Sie drückt sehr genau aus, was dieses Weihnachtsfest im Grunde aussagen will: Gott hat sich unendlich klein gemacht, in einem Kind vor 2000 Jahren. Ein Gott, der unsere Bilder von ihm radikal zerschlägt: Kein machtbewusster, omnipotenter, allgegenwärtig herrschender und alles beherrschender Gott, stellt sich dar, einer der mitleidet, sich den Menschen mitteilt als Mensch, als Mensch Kind wird. Liebe sucht. Liebe verschenkt. Und geliebt werden will.

Ich kann gut verstehen, dass solche Gottesbilder Angst machen, viele Fragen aufwerfen, keine Begeisterung auslösen. Alles über den Haufen werfen. Damals wie heute. Ein Kind-Gott? Eine ungeheure Provokation. Wo führt das hin? Wie sehr kann mir ein solcher Gott Hilfe sein für mein Leben? Nicht Macht, Stärke und Härte, Durchsetzungsvermögen, gerechtfertigte Gewalt sind gefragt, sondern ... Liebe, Zartheit und Aufmerksamkeit für das Kleine und Schwache, für die Geknickten. Die Ohn-Macht der Liebe ist zentrales Thema dieser Tage.

Es kommt noch schlimmer: Das Kind-Sein, das sich Jesus bis zu seinem Tode bewahrt hat, war eine große Tür für die unbegreifbare Liebe Gottes. Nur wer sich klein macht, bückt, kann in die Augen Gottes sehen! Denn Gott ist ein „Gott in Augenhöhe“ der Kinder, auf Augenhöhe des Leids, der Armut, derer, die tief gesunken oder vielleicht sogar gefallen sind. Die keinen Frieden kennen, ausgebeutet oder auf der Flucht sind, verfolgt und herumgestoßen.

Betlehem ist heuer wieder kein Ort der Touristen. Die Intifada zeigt Wirkung. Die Pilgerströme bleiben aus. Es ist zu unsicher. Palästinensische Polizisten patrouillieren durch die Gassen und kontrollieren aufmerksam die Ausweise der wenigen Besucher. Es ist zum Verzweifeln, meint der junge Andenkenverkäufer. Lösung ist keine in Sicht, vom Frieden absolut keine Spur.

Die kleine Pforte zu Betlehem erinnert uns intensiv daran, dass Weihnachten ein Fest gegen den Stolz ist. In einer alten Legende fragt ein Schüler seinen geistlichen Lehrer: „Warum haben früher Menschen Gott gesehen und warum sehen sie ihn heute nicht mehr?“ Der alte Mann antwortete: „Weil sich heute keiner mehr tief bücken mag.“

Wer das weihnachtliche Kind sehen will, wer sich öffnet für den Anruf Gottes, ein Mensch zu werden, in Liebe und Hoffnung, der muss schmerzhaft erkennen, dass es nicht so leicht ist, dem zu folgen, der das radikal in seiner Liebe bis zum Tod am Kreuz tat: Jesus Christus. Ein silberner Stern bezeichnet die Stelle im Boden, wo die Geburt überliefert wurde. Die Eingangstür zu diesem Ort der totalen Veränderung unserer Vorstellungen ist klein geworden. Wie die Pforte zu Betlehem.

P. Karl Schauer aus Mariazell formuliert das so: „Die Wahrheit Gottes beugt den Stolz. Diese Wahrheit des Christus-Kindes lässt sich nicht kaufen. Sie heißt: Ich liebe dich, du Welt, du Mensch.“
Ein toller Tag heute. Ein Tag der kleinen Tür in das große Geheimnis der Erlösung. Gott ist gekommen, aus Liebe geboren. Für dich und mich, für alle Menschen auf diesem Planeten der zu großen Türen.