HELMUT LODER'S Adventkalender
2011 HALT AN |
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2011 - Halt an

12. Dezember

Parcour

Anfangs hielten sie ihn schlichtweg für verrückt. Da läuft, springt, hüpft und klettert einer wie ein menschlicher Gummiball durch die Gegend. Ein Hürdenläufer mit 5-Sterne-Können und das im städtischen FreiRaum. Auf und über alle nur denkbaren herumliegenden oder stehenden Architektur- und Landschaftsobjekte. In unglaublich hohem Tempo geht’s über Parkbäume, Eisengeländer; über schmale oder weitere Zwischenräume und Abstände und dann wieder schräg die Wände hoch.

Faszination, Bewunderung und Neid fließen ein, wenn man sieht, mit welcher scheinbaren Leichtigkeit die Schwerkraft überwunden wird. Was einem als normal bequemer, untrainierter Durchschnittsbürger/in verwehrt oder erspart bleibt. Parkour heißt die schweißtreibende Fitnessübung. Erfunden von einem Franzosen, David Belle, aus dem Pariser Vorort Lisses, der diese Bewegungskunst von seinem Vater, einem Vietnam-Soldaten übernahm. Querfeldein mitten durch die Stadt. In atemberaubendem Tempo hinauf und hinunter. Ohne etwas zu zerstören. Die Suche nach dem effizientesten und direktesten Weg. Ein weitaus bekannterer Ableger dieser Fortbewegungsart ist das berühmte freeruninng. Garniert mit akrobatischen Sprungeinlagen. Hart an der Grenze zum Selbstmord.

Warum ich das erzähle? Geht es nicht im Advent auch um die Überwindung der Bequemlichkeit, der Trägheit, die zur Enge und Ängstlichkeit führt? Suchen wir nicht durch Stille, Lektüre und Gebet, uns für kurze oder längere Momente über die schwer auf uns lastende Realität zu erheben, sie zu überwinden? Wollen wir uns nicht spielerisch und musisch mit den Grenzen und Begrenzungen der materiellen Welt auseinander zu setzen?

Parkour ist die Vision einer Bewegung in eine Dimension, die uns gewöhnlich verborgen bleibt. Gesammelte Kraft, Übung und Konzentration helfen neue Perspektiven entdecken, sich über die Widrigkeiten des Lebens ein klein wenig zu erheben. Den Weg ebnen. Den Freerunner in der urbanen Betonwüste nennt man im Französischen „Traceur“, was sinngemäß heißen soll: Der den Weg ebnet. War nicht Johannes ein solcher Traceur? Oder auch Jesus, der so vieles überwinden musste, sich einen neuen Weg bahnte?

Parcours kennt man vom Reitsport und ist eigentlich eine Hindernisstrecke. Der Advent ist ein Parkour, durch die Unwegsamkeiten des allzu gewöhnlichen Lebens hin zu einer neuen Luftlinie zu Gott, der sich niederließ zwischen den Betonplattenbauten heute und den Hirtenhöhlen damals.
Wenn Bocksprünge zu biblischen Luftsprüngen mutieren, wenn der „flow“ die Menschen beflügelt und antreibt, dann ist dort für mich einiges vom Advent enthalten. Aber mit den Lichtspielereien und Dekorschlitten haben sie es sicher nicht. Das macht sie mir sympathisch …

Ich überlege mir heute eine ungewöhnliche Weglinie quer durch unser Dorf, Stadtviertel oder …

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