2. Dezember

Alter Erzengel, was nun?

Adventmärkte landauf, landab. Laut, lichtüberflutet.
Ein Duft- und Brauchtums-Erlebnispark. Zum Konsumieren und Flanieren.
Für Jung und Alt. Jede Stadt hat einen noch größeren Markt.
Aber manchmal kommt Sand ins Getriebe.
Und ein Engel steht da, in der Ecke. Fast nicht zu erkennen...

Evangelium | Lk 10, 21 - 24

Vom Heiligen Geist erfüllt, sprach Jesus: Ich preise dich, Vater,
weil du all das den Unmündigen offenbart hast

In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater, und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will. Jesus wandte sich an die Jünger und sagte zu ihnen allein: Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht. Ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und wollten hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Namenstag: Bibiana, Lucius, Jan

Alzheimer Engel

Alle Jahre wieder: Rostbratwürste und Christbaumschmuck, Duftkerzen, Glühwein und Angoraunterwäsche … Die Verkaufsbuden des Weihnachtsmarktes rund um den Dom haben Aufstellung genommen. Eine bunt behängte, singende und klingende Phalanx aus Holz.
Ich lasse mich im Strom der Besuchermassen dahintreiben, werde unversehens in eine Nebengasse gespült. Da steht er: der schwarze Lodenmantel ausgebleicht und abgeschabt, das gelblichgraue Haar bis auf die Schultern fallend, die Wangen stachelbewährt, die Augen grau und leer. Irgendeiner scheint ihn hier abgestellt und vergessen zu haben, diesen alten Mann, diesen Nichtsesshaften, der mich an einen ausgedienten Engel erinnert.
„Alter Erzengel, was nun? Müde geworden?“ heißt es zu Beginn eines Gedichts von Durs Grünbein mit dem Titel „Alzheimer Engel“. Und am Ende lese ich: „Arbeitslos stehst du, taub im Getöse / des Zeitvertreibs vor dem Jüngsten Gericht“. Und: „Kranker Engel, du weißt, was geschieht/ ist Geschichte, - danach.“ Bleibt nur noch das Vergessen?
Wie anders dagegen lautet die biblische Botschaft des Advents: Wachsam sein, das Ohr öffnen, sich bereit machen zu Aufbruch und Reise, innewerden, den Weg bahnen.
Der Alte mit seinen müden Augen blickt durch mich hindurch.

Thomas Meurer