1. Fastensonntag, 10.02.2008
05 - Wüste(n)-ZEIT
Es ist eine große Versuchung gewesen, mir die Wüste vorzustellen.
So richtig klassisch: Steine, endlose Sandflächen, wellenförmige Dünen.
Jesus geht in die Wüste, heißt es im Evangelium. Die Sonne brennt vom Himmel.
Und in der Wüste tritt der Versucher an ihn heran.
Aber in meiner Umgebung sehe ich weit und breit keine Wüste.
Asphaltwüsten oder Autowüsten kann ich erkennen.
Aber darum geht es auch nicht.
Wenigen ist es vergönnt, sich in die Wüste zurückziehen zu können.
Wir müssen uns heute und hier bewähren. In unserer ZEIT.
Das ist schon schwer genug.
Die Wüste hat alle ZEIT der Welt. Möchten wir glauben.
Vielleicht liegt darin eine der vielen Versuchungen?
Welche Gesetze und Regeln gelten in der Wüsten-ZEIT?
Um leben und überleben zu können?
Der Mensch wird in der Wüste demütig.
ZEIT bekommt einen neuen anderen Stellenwert.
Es kann eine ZEIT des Todes sein oder des Lebens. Wofür entscheide ich mich?
Jesus hat sich entschieden: Für Gott. Der ihm in der Wüste nahe kam.
Der ihm ZEIT gab, in seinen Auftrag hineinwachsen zu können.
Wüsten-ZEIT, das ist die ZEIT der Leere, der Entbehrung, und des Mangels.
Wüsten-ZEIT ist aber auch ZEIT wie Sand am Meer.
Unter einem Himmel voller Sterne. Viele Menschen verspüren den „Durst der Seele“.
Den Durst nach einer ZEIT der Gottsuche. In der Wüste unseres Alltags.
Heute empfehle ich die Lektüre der Novelle „Durst“ von Antoine de Saint-Exupery oder eines seiner anderen Werke.
Montag, 11.02.2008
06 - Land-ZEIT
Brot-ZEIT. Rast-ZEIT. Das alles signalisiert für mich das Wort Land-ZEIT auf dem Dach
der Autobahnraststätte bei Loipersdorf. Aber nicht nur dort.
Eine Abfahrt, die zur Strecke gehört und viele in Anspruch nehmen.
Wie bei anderen Raststätten eben auch.
Herunter vom Gaspedal, herunter von der Autobahn.
Eine Tankstelle ist da, ein riesiger Parkplatz und das Lokal.
Ein großzügig angelegtes Restaurant, Selbstbedienung,
offen für alle, die sich stärken wollen,
die ihre rasende Fahrt für eine ZEIT lang unterbrechen.
Aufzutanken haben sie im Sinn.
Nicht nur das Auto, auch den eigenen Körper.
Die Seele gar auch noch?
Warum nicht? Ein offenes Gespräch, in aller Ruhe geführt.
Wirkt Wunder. Ein Getränk und eine kleine Stärkung.
Der Mensch ist keine Maschine. Er braucht Rast und Erholung.
Unterbrechung. Mitten auf der Autobahn.
Damit die Seele nachkommen kann.
Und der Hunger und Durst nicht zu groß werden.
Land-ZEIT, Brot-ZEIT. Auch im religiösen Unterwegssein
gibt es solche Raststätten und RastZEITen.
Aufenthaltsorte mit Erholungsbonus. Für Körper und Seele.
Für das Auftanken mit neuen Gedanken und Einsichten.
Neuer Kontakt mit Gott und den Menschen.
Land-ZEIT. Dieser Fastenort hat rund um die Uhr geöffnet.
Vollservice für Glaubensmenschen unterwegs garantiert.
HEUTE empfehle ich eine kurze Unterbrechung des Tagesablaufs („Land-ZEIT“)
bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein und einem guten Gespräch oder einem stillen Gebet!
Dienstag, 12.02.2008
07 – Stein-Skulptur
Ein literarisches Fundstück. Vom Wert der ZEIT. Zum Beispiel eines Jahres,
einer Minute, ...
Welchen Wert messe ich der Zeit bei? Anschauliche Gedanken & Bilder:
Um den Wert eines Jahres zu erfahren,
frage einen Studenten, der bei der Schlussprüfung durchgefallen ist.
Um den Wert eines Monats zu erfahren,
frage eine Mutter, die ein Kind zu früh auf die Welt gebracht hat.
Um den Wert einer Woche zu erfahren,
frage den Herausgeber einer Wochenzeitschrift.
Um den Wert einer Stunde zu erfahren,
frage die Verlobten, die darauf warten, sich endlich wieder zu sehen.
Um den Wert einer Minute zu erfahren,
frage jemanden, der seinen Zug, seinen Bus oder
sein Flugzeug knapp verpasst hat.
Um den Wert einer Sekunde zu erfahren,
frage jemanden, der einen Unfall überlebt hat.
Um den Wert einer Millisekunde zu erfahren,
frage jemanden, der bei den Olympischen Spielen
eine Silbermedaille gewonnen hat.
Die Zeit wartet auf niemanden.
Sammle jeden Moment, der dir bleibt, denn er ist wertvoll.
Teile ihn mit einem besonderen Menschen
und er wird noch wertvoller!
Der Verfasser dieses Textes ist mir leider unbekannt.
HEUTE empfehle ich, selber Bilder und Vergleiche zu finden, welchen Wert
verschiedene ZEITen für mich persönlich haben!
Mittwoch, 13.02.2008
08 - Die Lebens_ZEIT
... eines ganz normalen Menschen wie du und ich!
Was mache ich mit meiner Zeit? Wie viel Leben steckt in meiner Zeit?
4 Tage für Schuhe zubinden
2,5 Monate für Küssen
3 Monate für Zähne putzen
3,5 Monate für Verkehrsstaus
6 Monate für Warten vor Ampeln
6,5 Monate für Anziehen (Männer)
8 Monate für Briefe öff nen und lesen
9 Monate für Anziehen (Frauen)
1 Jahr für die Suche nach verlorenen oder verlegten Gegenständen
1,5 Jahre im Badezimmer (Waschen, Baden, Rasieren usw.)
2 Jahre für Gartenarbeit
2 Jahre für Telefonate
3 Jahre für Konferenzen, Besprechungen
3,5 Jahre für Fernsehen (ab 20 Jahre)
3,5 Jahre für Lesen
3,5 Jahre für Essen
5 Jahre für Warten (bei Behörden, Ärzten, Kassen usw.)
5,5 Jahre für Haushalt
10 Jahre für Kino, Restaurant, Theater, Konzerte
16,5 Jahre für Arbeit
22 Jahre für Schlafen
Und noch etwas: 19 Tage unseres Lebens opfern wir, um auf die Uhr zu schauen ... nur um festzustellen, dass wir zu wenig Zeit haben!
(nach Prof. Opaschowski, Freizeitforscher, Hamburg 1999)
HEUTE empfehle ich, nachzurechnen bzw. zu schätzen, wie viel ZEIT
wir fürs Lachen, Weinen oder fürs Lieben verwenden!
Donnerstag, 14.02.2008
09 - Spiel_ZEIT
Ein Wort und verschiedene Assoziationen.
Einmal eine besonders sportliche! In wenigen Wochen beginnt bei uns die Fußball-Europameisterschaft. Dann wird sich fast alles um die „SpielZEIT“ drehen. Rundes Leder. 90 Minuten. Manchmal ein Spiel auf ZEIT.
Auch im Theater sprechen wir von der Spielzeit, von der Saison
ab September bis Ende Juni. Ein Zeitmaß für Intendanten und Schauspieler. Die erste Premiere, ein Start in die neue Spiel-ZEIT. Alles Theater.
Lebendig, voller Leidenschaft. Neue Stücke, neue Erfahrungen.
Mitten im Alltag gibt es eine ganz andere Spiel-ZEIT:
Mitspieler, Schauspieler sind Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene.
Und die Requisiten sind Karten, Würfel, Bälle, Stäbchen, Bänder, …
Das Spiel gehört zum Menschen. Im Spiel vergeht die ZEIT rasend schnell. Wie im Flug. Da passiert Begegnung, Gespräch und Wettbewerb.
Freude gehört dazu, Lachen und die Lust zum Risiko.
Eine ZEIT, erfüllt vom Geheimnis des Lebens.
Fasten hat viel gemein mit dem Spiel. Ist das auch eine ZEIT des besonderen Augenblicks, der Lust am Menschsein?
Die Spiel-ZEIT spielt mit der ZEIT. Auf Gewinn. Auf Leben. Mit den Menschen und mit Gott. Vor einigen Tagen fand ich bei meinem Kaffee ein Zuckerpackerl mit der Aufschrift: „Laden Sie doch mal jemanden auf ein Spiel ein (und einen Kaffee)!“ Das ist eine gute Idee! Die Spiel-ZEIT Fasten geht in die nächste Runde! Mitspieler werden gesucht!
HEUTE empfehle ich eine spontane Runde „Mensch-ärgere-dich-nicht“ oder ein anderes Spiel zur Erbauungund Konzentration! Viel Vergnügen!
Freitag, 15.02.2008
10 - Stein-ZEIT
Der Ort ist idyllisch. In der Mitte eine Art steinerner Brunnen.
Schmale Wege führen zu ihm. Kleine Tafeln zeigen die vergangenen Jahre an.
Gedächtnis, memoria. Das Bild zeigt die Grazer Gedenkstätte für stillgeborene Kinder,
für „Sternenkinder“. Totgeboren. Wenn Lebensanfang und –ende zusammenfallen.
Endlich ein Platz zum Abschiednehmen. Zum Trauern.
Und ZEIT haben für den Schmerz, immer wieder die Frage: Warum?
Stein-ZEIT. Trauer-ZEIT auf dem Urnenfriedhof in Graz.
Alles hat seine ZEIT, lesen wir schon bei Kohelet in der Bibel.
Geborenwerden, Lieben, Hassen, Streiten, Steinesammeln und … Sterben.
Alles hat seine Zeit. Leben und trauern.
Alles zu seiner ZEIT. Aber was ist, wenn Anfang und Ende zusammenfallen?
Wenn der Schmerz und die Verzweiflung unmenschlich groß sind?
Zu allen Zeiten haben Menschen den Tod vor der ZEIT gefürchtet.
Versucht, mit dieser Endlichkeit umzugehen.
Gehofft, dass ihnen noch ZEIT bleibt. Viel ZEIT.
Mehr als den Sternenkindern. Wir müssen lernen, jetzt damit umzugehen.
Mit Sterben und Loslassen.
Stein-ZEIT in der Fastenzeit. Der Stein des Anstoßes.
Das Leben zu feiern, zu schützen, und jene zu trösten,
die das Leben ihrer Lieben nicht richtig spüren durften.
Ein Brunnen für die Sehnsucht nach dem ewigen Leben.
Am Urnenfriedhof in Graz.
HEUTE empfehle ich einen Blick auf ein Zitat von Antoine de Saint-Exupery:
„Wenn du bei Nacht den Himmel anschaust,
wird es dir sein, als lachten tausend Sterne,
weil ich auf einem von ihnen wohne,
weil ich auf einem von ihnen lache.“
Samstag, 16.02.2008
11 - Wegwerf-ZEIT
Es ist schlimm. Wir werfen so viel weg.
Kaputtes, Giftiges, wertlos Gewordenes,
Sperriges, Zerbrochenes, Nutzloses.
Oder Abgelaufenes, Irritierendes, Ungebrauchtes.
Wir leben in einer Wegwerf-ZEIT.
Die Müllcontainer und Deponien sind randvoll.
Wir werfen alles weg. Wir brauchen so vieles nicht mehr.
Zuerst waren es Gegenstände und Materielles.
Aber jetzt auch schon Traditionen, Erinnerungen, Maßstäbe.
Manchmal die Ehrfurcht, den Respekt, oder den Anstand.
Dann wiederum Sehnsucht, Geborgenheit und die Liebe,
das Augenmaß und die Menschlichkeit. Die vor allem.
Wir werfen uns weg. Entsorgen, entrümpeln, vernichten.
Was uns in die Hände kommt. Uns und die Zukunft.
Wir verwerfen, entleeren, zerstören.
Unsere Heimat Erde und unsere Seelen. Wir werfen so viel weg.
Viele haben inzwischen auch Gott weggeworfen.
In den Mülleimer gesteckt: Problemstoff.
Nicht mehr notwendig, nicht modisch genug.
Er hat keinen Platz mehr in unserem Leben.
In der Wegwerf-ZEIT. Bei den Wegwerfmenschen.
HEUTE empfehle ich einmal darüber nachzudenken, was ich selber „wegwerfe“?
Helmut Loder
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