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Vorbemerkung
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Ein Fastenprojekt von Helmut Loder


entfernen # 1. [aschermittwoch]

Aschermittwoch. Der Tag der Asche. Genauer des Aschenkreuzes. Unwillkürliche Geste nach dem Empfang des Kreuzes: Wegwischen, entfernen. Manche fühlen sich wie beschmutzt. Auf der Stirn. Gut sichtbar. Für alle anderen.

Ein Kreuz auf der Stirn. Eigentlich nicht normal. Ungewöhnlich. Unüblich.
Ein Kreuz um den Hals schon eher. In Gold womöglich. Um Eindruck zu schinden. Seht her. Ich habs. Ich habs mit dem Kreuz.

Ein Kreuz aus Asche. Trotzdem vergänglich. Abwaschbar. Leicht zu entfernen.
Was wäre, wenn dieses Zeichen 40 Tage nicht zu entfernen wäre?
Ein starkes Zeichen. Das Kreuz aus der Asche.
Auf die Stirn geschmiert. Gezeichnet. Für immer. Ganz persönlich.
Don´t remove!

 


entfernt # 2. [donnerstag]

Weggelegt. Abgewischt. Nicht mehr da. Fastenzeit. Wegwischzeit. Weg damit, was zuviel ist ist zuviel. Muss entfernt werden.

Das kann vielerlei sein: Zwei Kilo zuviel. Die Schokolade vorm Schlafengehen. Der Schlummertrunk. Das Bier zwischendurch. Entfernt. Wie weggewischt. Für 40 Tage. Einfach so. Kann man das?

Was lässt sich tatsächlich so einfach „entfernen“? Vom Tisch der Gewohnheiten? Aus dem Katalog der (ver)lässlichen Sünden streichen? Wo Banales reduzieren, Sinnloses und Unnötiges eleminieren? Heute und hier? Was heißt für mich: entfernt?

Removed klingt nach Erfolgsmeldung. Melde gehorsamst: Entfernt! Ausgedrückt wie einen lästigen Pickel. Heilung in Sicht. Fastenzeit, Entfernungszeit.

Aus der Entfernung betrachtet: Entfernen tut sicher gut. Aus der Nähe: Weniger ist zweifellos mehr. Weniger Ballast, mehr Leben. Egal wie und wo. Und wie man es wendet. Eben „entfernt“.

 


wegräumen # 3. [freitag]

Freitag: Fasten-Hysterie rundum. In den Medien seit Wochen. So, als wäre das aktuelle Vorzeichen im Leben plötzlich ein Minus. Weg mit dem Bauch, der satten Gemütlichkeit. Weg damit. Wegräumen. Plötzlich das Gebot der Stunde: Aus dem Weg räumen.

Vieles was herumliegt, kann behindern. Ist Hindernis. Sollte weggeräumt werden. Ordnung muss schließlich sein. Im Alltag, im Leben, in der Liebe. Im Glauben wohl auch.

Den Weg freiräumen. Freiräume schaffen. Für die Stille. Das Buch, das klärt. Das Musikstück, das entspannt. Aufräumen. Damit die Seele wieder Lust hat, bei mir zu wohnen. Unnützes wegräumen.

Denn es gibt sie: die Vorratslager. Vollgestopft mit Ungebrauchtem. Aus Angst angehäuft. Es könnte ja eine Hungersnot kommen. Weil wir nie genug haben.

Wegräumen kann Spaß machen. Angreifen und neu überlegen: Brauche ich das wirklich? Manchmal kann Fasten Raum schaffen. Im Wegräumen.

 


weglassen # 4. [samstag]

Simplify your life. Der Bestseller aus deutschen Landen. Ein Beratungsdienst der Reduktion. Mit durchgestylter Organisation. Und eigener Homepage, Hochglanzbroschüren, Internetshop und Newsletters. Die Botschaft: klar und schlicht: Vereinfache dein Leben. Ehrlich, wer will das nicht? Oder: Wer will das wirklich?

Weglassen, was bequem und notwendig ist? Es ist nicht einfach, einfach zu leben. Eine grausame Binsenweisheit. Zu viel hat sich in unserem Alltag eingenistet. Und unersetzlich gemacht. Da kommt die Botschaft gut an: Simplify your life. In sympathisch lockeren Formulierungen und humorvollen Cartoons. Die Checkliste fürs Weglassen wird gleich mitgeliefert und wöchentlich ergänzt. Zum Downloaden. Ein phantastischer Dienst. Für die Mitglieder der Überflussgesellschaft. Und für die anderen?

Fasten quasi als Lebenshilfe mit Selbstmanagement. Weglassen als hippiger Life-Stile. Kostet nicht viel. 3 Monate gratis, dann lediglich einen Pappenstiel. Weglassen als Vorsatz. Remove the things. Beziehungsweise: Simplify your life.

Mit dankbarem Gruß: Die Müllindustrie.

 


wegziehen # 5. [1. fastensonntag]

Erster Fastensonntag. Jesus geht in die Wüste. Er zieht los, zieht weg. Vom Dorf in die Feinstaubarena. In die Wüste, den Fastenraum der Schöpfung. Exotisch, hart, faszinierend. Bedrohlich und immer wieder herausfordernd. Menschenunfreundlich.

Jesus geht in die Wüste. Vielleicht will er es wissen. Ob er genug Kraft hat? Für die Stille, den Hunger, den Schmerz. Konzentration auf das Ziel, seinen Auftrag. Seine Bestimmung. Remove from, wegziehen von. Wegziehen vom vorgespurten Leben. Weg von der Sicherheit, der Gemeinschaft, der Familie.

Denn Wüste heißt schließlich auch Einsamkeit, Hitze und Kälte. Unendlichkeit in Sand oder Stein. Heutzutage Anziehungspunkt für Abenteurer und Neugierige. Für den Urlaub vom banalen Alltag. Kalkulierte Gefahr.

Wüste heißt Unsicherheit, Fragen, quälende Zweifel. Irritation. Wovon kann man leben? Was ist der Sinn? Wo ist Gott? Wer ist wie Gott? Was bedeutet mir Macht, Reichtum, Gewalt?

Jesus bleibt in der Wüste. 40 Tage und Nächte. Nicht allein. Die Versuchung ist da. Groß und gewaltig. Aber die Tellerminen der Gier und Verführbarkeit gehen nicht hoch. Remove from. Wegziehen, aber wohin?

Was bleibt für uns? Die Wüste ist manchmal gleich um die Ecke. Mitten in der Stadt, mitten in uns. Und die Versuchung kennen wir auch. Nicht nur seit es diese zarte Schokolade gibt. Nur der Ausgang ist manchmal ein anderer.

 

2004

Aschermittwoch, 25.2.2004
Donnerstag, 26.2.2004
Freitag, 27.2.2004
Samstag, 28.2.2004
Sonntag, 29.2.2004