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Zum 15. Mai >

Ernst Zerche

Ernst Zerche ist Geschäftsführer von Missio Steiermark. In den 80er Jahren war er als Entwicklungsarbeiter in Neuguinea tätig. 2006 führte ihm eine Missio Projektreise gemeinsam mit Diözesandirektor Mag. Wolfgang Schwarz nach Papua Neuguinea.

Bild: Maria aus Kambot, Papua Neuguinea

2007

Maria am Ende der Welt

Kambot liegt am Ende der Welt. Diese Behauptung ist etwas gewagt. Natürlich findet sich auch dieses Fleckchen Erde im Internet, quasi der moderne Beweis dafür, dass Kambot existiert und nicht außerhalb unseres Weltbildes liegt.
Kambot ist ein kleines Dorf an einem der unzähligen Seitenarme des Sepik, dem größten Fluss Papua Neuguineas. Für einige ist er sogar der wasserreichste Fluss der Erde.
Papua Neuguinea ist nach Grönland die zweitgrößte Insel der Welt. Bei Grönland kommen mir sofort Bilder von ins Meer stürzenden Gletschern ins Bewusstsein. Weniger bewusst ist, dass dieses abschmelzende Eis die Bewohner tausender kleiner Inseln im Pazifik, auf der anderen Seite der Erde, gefährdet.
Zurück nach Kambot am Sepik: Auch hier leiden die Menschen an den Folgen der Klimaerwärmung. Die regelmäßigen Überflutungen des Sepik in der Regenzeit sind unberechenbarer geworden. Die Menschen haben aber gelernt damit zu leben. Sie bauen wie eh und je ihre Häuser auf Pfählen und die Kinder, so sagt man, lernen das Paddeln mit dem Einbaum früher als das Gehen.
„Kambot, since 1933“, ist mit roter Farbe auf einem Stein gepinselt. Das Ufer liegt jetzt in der Trockenzeit einige Meter über dem Wasserspiegel und ist vom Boot aus nur schwer zu erklimmen. Ich begleite Fr. Lawrence, einen indischen Missionar. Er betreut dieses Dorf als Seelsorger, gleichzeitig auch die kleine Stadt Angoram.
Die Entfernung aus Europa, ca. 14.000 km, die beschwerliche Anreise mit Flugzeug, Geländefahrzeug und mit dem Boot, die verschlungene unberührte Flusslandschaft gaben mir kurz das Gefühl am Ende der Welt zu sein. Dabei ist Kambot, wenn auch unscheinbar, das Zentrum der Sepik-Kultur. Sie ist einzigartig und hat Generationen von Wissenschaftlern beschäftigt. Das Haus „Tambaran“ – das Ahnen- oder Geisterhaus, mit seinem ornamentalen Giebel und mythologischen Wasserspeiern erinnert an mittelalterliche Kirchen. Obwohl der gewaltige Holzbau bereits in einem schlechten Zustand ist, stehe ich staunend vor einem Glaubensuniversum. Begeistert kaufe ich von einem Holzschnitzer ein „Storyboard“, eine „Geschichten Tafel“, auf dem der Mythos erzählt wird, wie das Krokodil in den Fluss kam.
Die Katholische Mission hat diese Melanesische Kultur da und dort sensibel aufgegriffen. Einige Kirchen am Sepik erinnern im Baustil an diese traditionellen Ahnenhäuser. In der Bildsprache der Ahnen wird das Evangelium verkündet. So finde ich auch die „Storyboards“ in der Kirche von Kambot, hier erzählen sie die Leidensgeschichte Jesu.
Aber was mich noch mehr in den Bann zieht, ist die Mariendarstellung über dem Altar dieser einfachen Missionskirche. Ein großes Ölgemälde, es zeigt Maria mit dem segnendem Jesuskind am Arm, im Hintergrund ein roter Himmel voller Sterne. Maria trägt die Gesichtszüge einer Frau vom Sepik , das Jesuskind hat krauses Haar.
Das Bild ist das Werk eines einheimischen Künstlers. Maria und das Kind strahlen in sich ruhende Würde aus. Ein Kunstwerk. Vermutlich hat der Künstler traditionelle Mariendarstellungen gekannt. Durch die europäische Bildsprache hindurch, spüre ich den gesenkten Blick einheimischer Frauen und die fragenden Augen der Kinder.
Nach dem Staunen kommt die Neugier. Wer hat das Bild gemalt und wer hat es in Auftrag gegeben? Welche Bedeutung hat das Bild für die Menschen von Kambot? Wird es die Zeiten überdauern? Das Klima setzt dem Bild schon arg zu, Wespen haben bereits ihre Nester darauf gebaut, es ist verschmutzt und müsste dringend restauriert werden.
Am Abend bitte ich Fr. Lawrence mir das Kreuz des Südens am nächtlichen Sternen Himmel zu zeigen. Jenes Sternbild das den Völkern des Pazifiks eine sichere Orientierung auf offener See gab. Ich muss an das Marienbild in Kambot denken und die Sterne - Stella Maris - Meerstern ich dich grüße!