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Egon Kapellari

Dr. Egon Kapellari
geboren 1936 in Leoben, Steiermark, Preisterweihe 1961,1981 Ernennung zum Bischof, Leitung der Diözese Gurk-Klagenfurt und seit 2001 Bischof der Diözese Graz-Seckau. Zahlreiche Veröffentlichungen, besonders zu Kunst und Kirche.

Madonna mit Kind, nach Lucas Cranach, 19. Jh., Empfangsraum der Bischöflichen Amtsräume

2007

Maria

„Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt“, hat der Dichter Novalis vor 200 Jahren geschrieben. Alljährlich zu Weihnachten wird ein riesiges Bilderbuch aufgeschlagen, zu welchem unzählige Künstler in Jahrhunderten beigetragen haben. Die meisten dieser Weihnachtsbilder sind auch Marienbilder. Sie zeigen Maria neben dem in der Krippe liegenden Jesuskind oder mit dem Kind in den Armen, oft umgeben von Hirten oder den Sterndeutern aus dem Osten.

Maria ist das reinste Bild der Schöpfung, die auf die Erneuerung durch den Erlöser gewartet hat. Sie ist auch die „Tochter Sion“, die kostbarste Frucht aus dem Volk des Alten Bundes, das den verheißenen Messias ersehnt hat. Und schließlich ist sie der Inbegriff der Kirche. Sie ist „Mutter der Kirche“, weil die Kirche wie Maria Empfangende der Gaben Gottes ist, weil Heiliger Geist sie als lichte Wolke überschattet.

Jungfrau und Mutter, diese gegensätzlich erscheinenden Gestalten menschlicher Existenz, sind in Maria vereinigt. Ihr Wesen ist Hören, Horchen und gehorsame Antwort auf das Wort Gottes, das aus ihr Fleisch annimmt, Mensch wird. Sie ist mehr Ohr als Mund, aber als Mutter in der Hoffnung singt sie im Hause ihrer Verwandten Elisabeth das Magnificatlied (Lk 1,46-55), das die Kirche jeden Tag im Stundengebet wiederholt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“

„Du Ursache unserer Freude“ singt die Lauretanische Litanei über Maria. Ihr Ja zu Gottes Ratschluss, das kürzeste und seiner Möglichkeit nach zugleich inhaltsreichste Wort wohl aller Sprachen, ermöglicht jene Freude über die Geburt Jesu Christi, von welcher im Weihnachtsevangelium die Rede ist: die Freude der Engel, der Hirten und der Weisen im Morgenland.

Egon Kapellari, Diözesanbischof von Graz-Seckau, („Menschenzeit in Gotteszeit“, Seite 84, Styria-Verlag 2002)