von
"Manche verstricken sich so tief in Oberflächlichkeiten,
dass sie den Faden zu ihrem Inneren verlieren!"
(Ernst Ferstl)
Wie oft hören wir die Formulierung: Im Faden-Kreuz. Wir haben ihn endlich im Fadenkreuz! Erledigt. Treffer. Niemand ist gern im Fadenkreuz der Medien, der Jäger, der Rücksichtslosen auf der Straße. Niemand ist gern Zielscheibe der Gewalt, des Todes.
Jesus aber geriet ins Fadenkreuz der Mächtigen zu seiner Zeit. Ins Fadenkreuz der Neugier, der Aufmerksamkeit, der Sensationsgier, der Lust an der Ohnmacht des Opfers, ... Auf dem Weg in den Tod. Wie oft werden auch wir angehalten, langsamer zu fahren, weniger zu essen. Anhalten, stehen bleiben und ausruhen. Jesus wird auf seinem Weg öfter stehen geblieben sein. Freiwillig wohl kaum. Immer wieder sollten auch wir in unserem Leben anhalten, um uns Zeit zu nehmen für Gedanken nach dem Warum, Wann und Wer! Anhalten tut gut. Besonders in der Fastenzeit. Deshalb nenne ich die Stationen dieses Kreuzweges "Anhaltungen". Anhaltend wie langwierig.
Vor 2 Jahren erschien der Kreuzweg "im kreuz-feuer". Unter dem Titel "im faden-kreuz" lege ich heuer quasi als Fortsetzung wieder einen Kreuzweg mit Texten, Anregungen, Hinweisen und einem Datenträger zum Bearbeiten der Texte vor.
Dieses Modell soll von neuem ein Anreiz sein, selbst eine etwas andere Art des Kreuzweges mit und für junge Menschen zu initiieren, zu gehen und zu gestalten. Natürlich müssen dabei die notwendigen Anpassungen an das jeweilige regionale Umfeld (Schulsituation, Pfarre, kirchliche Örtlichkeit/en, Lehrerkollegium, ...) und die eigene Einstellung mitbedacht werden, aber vielleicht sind diese Unterlagen ein erster brauchbarer Ausgangspunkt für einen Versuch in diese Richtung.
Selbstverständlich ist es vorstellbar bzw. sogar notwendig, die Impulse zu verkürzen, neue Schwerpunkte zu setzen und andere Zeichensetzungen einzubringen.
"im faden-kreuz" ist eine ungewöhnliche
Kreuz-Weg-Meditation mit 8 Anhaltungen auf dem Schmerzensweg,
von einem Punkt des Lebens bis zum schrecklichen Tod
am Kreuz.
Warum überhaupt Anhaltungen statt Stationen?
Stopp! Halt! Halten Sie an! Wir kennen diese Aufforderung zumindest aus dem Straßenverkehr, und haben Sie vermutlich schon öfter gehört. Oder sind mit der HALTE-Kelle, mit diesem optischen Signalstab, zum Stehen gebracht worden. Vor einer Bau- oder Unfallstelle, vor einer Umleitung, bei einem Stau oder ähnlichen Ereignissen. Ein Haltezeichen als Unterstützung und Hilfsmittel. Aber angehalten werden kann man auch im profanen Alltag. Oder im Religiösen, beim Kreuzweg. Dann ist es ein anderer Name für eine Kreuzwegstation, eine Anhaltung. Haltmachen. Stehen bleiben. Eine Nachdenk-Pause einlegen, für unsere Zeit, um die Menschen auf dem Todesweg Jesu kennen zu lernen. Diejenigen, die mitgegangen sind. Und mit jenen zu konfrontieren, die heute unterwegs sind. Auch auf den Leidenswegen der Menschen. Sie anzuhalten und aufzuhalten. Das ist eines der Ziele dieser Kreuzweg-Meditation. Damit wir anfangen, nachzudenken, wohin dieser Weg führt. AnHALTen. 8 Mal auf dem Weg Jesu in den Tod. 8 Anhaltungen.
Einerseits das Kreuz. Ein Fadenkreuz. Im Fadenkreuz
entdecken. Beobachten. Meist verbinden wir das mit der
Optik einer Schusswaffe.
Bei diesem Kreuzweg aber werden die zwei Balken durch
Fäden geschlungen, kreuzförmig über den
verschiedenen Bildern. Zum Beispiel über einem
"Bild" von Pilatus, Veronika oder Josef von
Arimathäa. Diese und andere "Personen"
des Kreuzweges finden sich nämlich "im Fadenkreuz"
unserer Aufmerksamkeit, unserer Nachdenklichkeit, unseres
Interesses am Leiden und Sterben Jesu. Sie sind angehalten,
ihren Standpunkt zu artikulieren. Auszudrücken,
was sie erlebten und wie sie (vermutlich) dachten.
Im Fadenkreuz der Neugier. Im Zentrum der Anteilnahme.
Der Kreuzweg als scharf fokussierte Glaubensmeditation.
Im Fadenkreuz. Damit wir nicht den Faden verlieren,
wenn es um Leid, Tod, Kreuz und Auferstehung geht.
Um diese schreckliche Realität auszudrücken,
werden vor die Papier-Bilder der handelnden Personen
"Faden-Kreuze" geschlungen.
Die Themen der Stationen und die handelnden Personen:
1. Anhaltung: Kreuz-Gehör [Pontius Pilatus - ein/e
Richter/in]
2. Anhaltung: Kreuz-Balken [röm. Soldat - Soldat
der Gegenwart]
3. Anhaltung: Auf-Kreuzen [Simon von Cyrene - Rotkreuzhelfer/in]
4. Anhaltung: Durch-Kreuzt [Veronika - eine Hilfsarbeiterin]
5. Anhaltung: Kreuz-Weh [eine weinende Frau - Drogen-/Tablettensüchtige/r]
6. Anhaltung: Im Faden-Kreuz [röm. Hauptmann -
Asylant/in]
7. Anhaltung: An-Gekreuz(ig)t [Josef von Arimathäa
- Priester]
8. Anhaltung: Weg-kreuz [Jesus, der Aussteiger - Du
und ich]
Zwischendurch immer wieder neu aufflammende Fragen nach
dem Sinn dieses Leidens,
außerdem: Ein paar Brandreden gegen die fast überall
greifbare Herz- und Gefühllosigkeit,
damals wie heute. Und nicht zuletzt ein sehnsüchtiger
AusBlick in Richtung ÜberLeben,
Auferstehung inbegriffen.
(Vor jedem Textblock wird ordentlich mit Holzstöcken geschlagen und getrommelt)
Kreuz-Gehör [Pilatus - Richter/in]
Schon gehört: Unschuldig soll er sein. Vom Verurteilen
und Verurteilt werden.
Sich die Hände in Unschuld waschen. Gegen jede
Vernunft.
Kreuz-Balken [Soldat -Soldat der Gegenwart]
Ein Kreuz aufgelegt bekommen. Sich nicht wehren können.
Vom Krieg gegen die Armen und von der Sinnlosigkeit.
Auf-Kreuzen [Simon - Rotkreuzhelfer/in]
Vom Abwenden und Hinschauen. Vom Zupacken und Aufhelfen.
Sich gestützt wissen.
Durch-Kreuzt [Veronika - Hilfsarbeiter/in]
Vom Röntgenbild der Anteilnahme. Vom Hilflossein.
Sich der Not und dem Leid aussetzen.
Kreuz-Weh [weinende Frau - Drogen- oder Tablettensüchtige]
Vom AufSchrei der Verzweiflung. Vom Schmerz der Liebe.
Sich ausweinen dürfen.
Im Faden-Kreuz [Hauptmann - Asylant/in]
Vom Betroffensein und Erkennen.
Vom Abwehren und Gejagtwerden: Zuflucht suchen, Zuflucht
finden.
An-Gekreuz(ig)t [Josef von Arimathäa - Priester]
Von der nicht ausrottbaren Hoffnung wider alle Vernunft.
Weg-Kreuz [Jesus - und ich, du, wir alle]
Vom rätselhaften Schrei "Warum?", von
der Liebe Gottes. Und vom Galgen, der zum Leben führt.
Die praktischen Erfahrungen mit dem Kreuzweg "im
faden-kreuz"* zeigten, dass bei Gestaltung aller
8 Anhaltungen mit einer zeitlichen Länge von gut
90 Minuten zu rechnen ist. Die einzelnen "Stationen/Anhaltungen"
sollten auf jeden Fall gut vorbereitet werden, besonders
in Hinsicht auf die konkreten Materialien wie die benötigten
Holzbildrahmen mit den Schnüren oder Wollfäden,
den "Namens"-Startnummern und den Kerzen zum
Mittragen.
Improvisationsvermögen, Gelassenheit und Spontaneität
sind außerdem immer von Vorteil.
Die Reaktionen der jungen Leute waren durchaus positiv. Die Aussagekraft der einzelnen aktualisierten und sehr sinnenhaft angelegten Stationen konnte ohne weiteres nachvollzogen werden.
Jede "Anhaltung" besteht aus
1. Anhaltung: Kreuz-Gehör.
Hinweise: Eine Gruppe von Teilnehmer/inne/n trommelt
und schlägt mit Holzstöcken oder anderen Schlaginstrumenten
einen passenden Rhythmus, eine Schlagfolge, um die Aufmerksamkeit
auf den Beginn des Leidensweges zu lenken. Ein Moderator
tritt auf und führt in die "Kreuzweg-Anhaltung"
ein.
Pilatus, mit einer Art "Startnummer" (mit seinem Namen darauf), hält sich unter den Teilnehmern im Hintergrund verborgen. Der "Richter" mit einem größeren Namenskärtchen auf der Brust, steht deutlich sichtbar neben Sprecher 1.
1. Anhaltung: Kreuz-Gehör
Habt ihr schon gehört? Er soll unschuldig sein.
Aber er muss verurteilt werden. Wir müssen uns
raushalten. Ich muss mich da raushalten. Ich werde meine
Hände zum Zeichen meiner Unschuld waschen. Damit
will ich nichts zu tun haben! Und selbst wenn er die
Wahrheit sagt. Ich will nicht verantwortlich sein. Das
geht mich nichts an ...
Der Holzbildrahmen mit dem "Pilatusbild" (vergrößerte Kopie des nebenstehenden Fotos) wird hochgehalten.
: Achtung, Achtung, eine Durchsage: Hat
irgendjemand von ihnen, den Landpfleger Pontius Pilatus
gesehen? Wo sind Sie, Herr Pilatus? Bitte treten Sie
nach vor, Herr Pilatus! Bitte kommen Sie zu uns!
: Ich komme ja schon, nur Geduld, die Welt geht
nicht so schnell unter.
: Sie sind Pontius Pilatus, der den Rabbi
Jeschua aus dem Dorf Nazaret verurteilt hat?
: Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber es
stimmt, ich habe einen Aufrührer und Provokateur
namens Jesus zum Tode verurteilt. Da war einfach nichts
zu machen. Alle waren gegen ihn.
S
: Alle?: Ja, alle! Ich habe es deutlich gehört: Die Menge hat geschrieen und getobt. Ein aufgeputschter Pöbel, verführt, verblendet, manipuliert. Sie wollten seinen Tod. Sie warfen ihm vor, die Menschen aufzuhetzen, er sei gegen uns Römer. Als ob das nicht ohnehin alle sind. Ans Kreuz mit ihm, haben sie gerufen. Schrecklich, diese irregeleitete Meute.
: Ans Kreuz mit ihm!
: Hätten Sie nicht mehr Widerstand leisten können oder ihn überhaupt freisprechen?
: Gegen wen hätte ich Widerstand leisten sollen? Gegen den Hohen Rat? Gegen die Menge? Zu gefährlich. Und überhaupt weiß ich das heute nicht mehr so genau. Aber dieser Jesus war schon ein seltsamer Kerl ... (wird nachdenklich).
: Warum?
: Ich habe ihm gerne zugehört. Er sprach von der Wahrheit, als ob er sie gepachtet hätte und dass er ein König sei.
: Ein richtiger, echter König?
: Verrückt, nicht wahr? Eindeutig verrückt! Und dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. Für mich war er ein Narr. Mit dieser Haltung, mit seiner Liebe, da war nichts zu machen. Zu weich für unsere Zeit. Immer wieder soll er von Gott geredet haben. Sinnlos und unvernünftig. Manche werden eben geopfert, verurteilt! Sündenböcke für die anderen Narren!
: Ans Kreuz mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!
: Was haben Sie von seinem späteren Schicksal gehört?
: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Wir haben gehört, Pilatus findet Jesus eigenartig.
Er erinnert sich an die Frage nach der Wahrheit. Aber
sie hat keine Rolle gespielt. Kreuz-Gehör. Er gehört
ans Kreuz.
: Ans Kreuz mit ihm!
: Im Fadenkreuz unserer Neugier: Pilatus!
Ein Faden-Kreuz wird gesponnen. Im Holzrahmen sind
4 Nägel/Schrauben eingeschlagen, um die herum kreuzförmig
ein Stück Wolle oder Schnur geschlungen wird, damit
daraus ein "Faden-Kreuz" entstehen kann. Währenddessen
könnte ein Lied gesungen oder ein Instrumentalstück
eingespielt werden. (Zum Beispiel: Die Sache Jesu braucht
Begeisterte)
(ergreift nun laut das Wort): So etwas wäre
heute natürlich nicht möglich!
: Tatsächlich? Gibt es nicht immer noch
aufgehetzte grölende Menschenmassen in vielen Ländern?
Hass- und Todesparolen? Lynchjustiz? Erkaufte Wahrheiten?
: Manchmal vielleicht. Aber wir sind immer auf
der Suche nach Wahrheit. Wir urteilen und verurteilen
aus bestem Gewissen.
: Die Wahrheit wird gesucht! Die Wahrheit wird gesucht!
: Gibt es nicht meist "mehrere"
Wahrheiten?
: Ich denke schon. Aber alle Richter dieser Welt
versuchen die Wahrheit des Lebens zu finden. Und danach
zu urteilen. Manchmal ist es ungeheuer schwierig.
: Wie ist das mit der Todesstrafe? Warum werden
noch immer in vielen Ländern der Erde Menschen
auf dem Elektrischen Stuhl getötet? Sogar in Ländern,
die sich rühmen, die Menschenrechte zu verteidigen?
Immer wieder stellt sich heraus, dass auch Unschuldige
hingerichtet wurden. Kreuz-Gehör und Todesstrafe.
Gehört sich das Kreuz mit der Todesstrafe?
(Die Kerze sollte - wenn der Kreuzweg im freien Gelände
gebetet wird - unbedingt durch ein Glasgefäß
geschützt werden)
: Vater im Himmel, wir bitten dich, lass all die Verzweifelten und Hoffnungslosen in ihrer Not nicht allein, gib uns die Kraft zur Wahrheit. Denn Wahrheit ist Liebe und Liebe will Leben. Die Lüge bringt den Tod. Die Liebe aber lässt leben.
Der Moderator gibt das Zeichen zum Aufbruch. Der Kreuzwegszug zieht weiter zur nächsten Anhaltung. Dort angekommen, gibt der Moderator mit der Halte-Kelle das Zeichen zum Stehen bleiben.
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